Marcel Halstenberg kann Dosen öffnen, Julian Brandt macht einen großen Bogen um Konstanz und Jonathan Tah rettet zur Not auch mit dem eigenen Hintern: die DFB-Elf in der Einzelkritik.
Manuel Neuer
Vereitelte gleich nach wenigen Minuten in Vintage-Manier eine Großchance der Nordiren und wirkte auch danach – bis auf eine unglückliche Abwehr in die Mitte kurz vor der Halbzeit – sehr sicher. Was auch die versteinerte Miene von Marc-André ter Stegen auf der Ersatzbank erklären dürfte.
Marcel Halstenberg
Wie man Dosen öffnet, wurde ihm in Leipzig anscheinend beigebracht. Außerdem schön, dass er sich die Choreo des Fanclub Nationalmannschaft aus dem Holland-Spiel direkt zu Herzen nahm und volley netzte. In der Form wie jedes einzelne SPD-Wahlergebnis im Jahr 2017: ein Desaster für Schulz.
Niklas Süle
Wäre er so souverän wie breit, man bräuchte sich auf Jahre hin keine Sorgen um das Abwehrzentrum der Nationalmannschaft zu machen. Ist er aber nicht. Andererseits: Dass er sich ohne den Rest der 187 Straßenbande überhaupt auf die große Bühne traut, darf man ruhig auch mal anerkennen. Unterm Strich ein Spiel der Kategorie sü lala.
Matthias Ginter
Wirkte wie ein Fahrschüler, der einmal in Dortmund-Brackel falsch abbiegt, sich danach nicht mehr traut zu wenden und plötzlich in die Rallye Dakar gerät: total überfordert. Bekam nach einer verhunzten ersten Hälfte leider nicht die Chance, es nach der Pause besser zu machen, weil er verletzt runter musste. Gute Besserung.
Lukas Klostermann
Fast hätten wir Lukas Klostermann einfach übergangen. Schlichtweg, weil das den ersten Eindrücken aus dem gestrigen Spiel zufolge ja recht einfach zu sein scheint. Aber: Klostermann stabilisierte sich fix und zeigte vor allem defensiv ein solides Spiel. Vorne allerdings wie ein guter Christ: vergab viel.
Joshua Kimmich
Sollte sich in Zukunft bei DFB-Einsätzen eine Badekappe mit auf den Platz nehmen – dann werden die Haare zumindest nicht nass, wenn er in heiklen Zweikämpfen vor der Abwehr mal wieder ins Schwimmen gerät. Was wir damit sagen wollen: Weshalb genau einer der besten Rechtsverteidiger der Welt ausgerechnet in der Nationalmannschaft nicht als Rechtsverteidiger aufläuft, bleibt auch nach diesem Spiel ein Fall für Jamie Hyneman und Adam Savage.
Toni Kroos
Bereitete gleich zu Beginn des Spiels mit einem präzisen Zuspiel wunderbar eine Großchance vor – allerdings für die Nordiren. Auch danach größtenteils in Real-Form, beziehungsweise: gar nicht richtig auf dem Platz. Ingesamt aber kein übles Spiel – für einen Kinostar.
Marco Reus
Wäre Marco Reus nicht direkt nach dem Spiel interviewt worden und hätten wir dann nicht seine wohl durchbluteten roten Bäckchen gesehen, wir hätten einen Notarzt nach Belfast bestellt, so leblos wirkte er in den Minuten zuvor. In Nordirland wie sein Führerschein bis zum Jahr 2016: nicht existent.
Julian Brandt
Ließ sich von seinen Gegenspielern in manchen Szenen herumschubsen wie Daniel LaRusso von Stressmachern aus dem Cobra Kai Dojo, agierte in anderen Szenen (in der Viertelstunde nach der Pause) aber so elegant, dass wir uns nicht gewundert hätten, wenn ihm irgendwann Monokel und Zylinder gewachsen wären. Trotzdem: Als Einwohner der Stadt Konstanz würde ich die DFB-Auftritte von Brandt langsam als persönliche Beleidigung empfinden.
Serge Gnabry
Auch Serge Gnabry legt noch keinen fehlerfreien Kons-Tanz aufs Parkett, wirbelte im Gegensatz zu Brandt aber in der kompletten zweiten Halbzeit. Wirkte plötzlich torgefährlich und spritzig, traf oft die richtigen Entscheidungen und war unterm Strich bester Spieler auf dem Platz. Erzielte fast folgerichtig kurz vor Schluss auch noch sein neuntes Tor im erst zehnten Länderspiel und ist damit jetzt offiziell der gefährlichste Deutsche seit Nominator Christian. Wenn er nun noch aufhören würde zu jubeln wie ein Videospiel-Avatar, wir wären rundum zufrieden.
Timo Werner
Zu behaupten, Timo Werner hätte unglücklich agiert, würde wahrscheinlich eine Unterlassungsklage des Unglücks provozieren. Machte seine zwei großen Chancen nicht rein, fand ansonsten überhaupt keine Bindung zu seinen Mitspielern. Im Gegenteil, in der stärksten Phase der Mannschaft, direkt nach der Halbzeit, kombinierte diese auffällig genau um Werner herum.
Jonathan Tah
Wer Bälle klärt wie Jonathan Tah kurz nach seiner Einwechselung, der trinkt seinen Kaffee auch am liebsten schwarz – also ohne Wasser. Aka: Der Mann schont weder sich noch seinen Hintern noch den Gegner. Erwischte ingesamt einen guten Tah.
Kai Havertz
Sollte sich in den kommenden Tagen auf Abwerbe-Versuche diverser Sterne-Restaurants einstellen, schließlich weiß das ganze Land spätestens seit seiner Vorlage zum 2:0, wie herausragend er servieren kann. Gehört in die erste Elf.
Emre Can
Bekam von Löw immerhin mehr Minuten, als er für Juve dieses Jahr in der Champions League spielen wird: acht. Ein gutes Zeichen?
Joachim Löw
Ließ Kimmich zwar wieder im Mittelfeld spielen, wurde dafür aber wenigstens nicht beim Popeln erwischt. Deswegen: ordentliche Partie des Bundestrainers.