Huub Stevens ist zurück auf Schalke. Und er beweist gleich, dass die Defensive noch immer seine große Stärke ist. Dafür hat er nun ein ganz anderes Problem.
An Jupp Heynckes kommt Huub Stevens noch nicht heran. Insgesamt vier Amtszeiten absolvierte Heynckes beim FC Bayern München. Stevens begann am vergangenen Freitag seine dritte beim FC Schalke. Vorstellen muss sich der Niederländer nicht mehr. Fans und Spieler wissen genau, was sie vom „Knurrer aus Kerkrade“ zu erwarten haben.
„Die Null muss stehen!“, lautet Stevens Leitsatz. Einst führte er Schalke mit seiner defensiven Taktik zu zwei Pokalsiegen (2001 sowie 2002) und einem Uefa-Pokal-Titel (1997). In den vergangenen Jahren verdingte er sich als Retter für abstiegsbedrohte Klubs. Auch beim FC Schalke soll er nun den Supergau verhindern, der angesichts von nur drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang droht.
Stevens Debüt gegen RB Leipzig bewies bereits: Der Niederländer hat sich kaum verändert. Doch ist er der Typ Trainer, den Schalke jetzt braucht? Vier Thesen zu seinem Auftaktspiel.
1. Die Null muss noch immer stehen
Stevens bleibt sich treu – so viel scheint bereits nach einer Partie sicher. Gegen Leipzig wählte Stevens nicht nur eine recht defensive Taktik. Schalke zog sich in der Anfangsphase im nominellen 5 – 3‑2-System weit zurück und empfing Leipzig erst in der eigenen Hälfte. Statt eines aggressiven Angriffspressings wählte Stevens ein tiefes Mittelfeldpressing, um kompakt verteidigen zu können.
Vor allem aber die Spielerwahl deutete auf eine eher vorsichtige Herangehensweise hin. Sebastian Rudy begann als Achter, wodurch der defensiv stärkere Benjamin Stambouli den Sechser-Posten übernehmen konnte. Er interpretierte die Aufgabe äußerst defensiv. Auch der zweite Achter Suat Serdar definiert sich eher über Lauf- und Zweikampfstärke. Zudem starteten mit Weston McKennie und Bastian Oczipka zwei eher laufstarke, aber wenig kreative Spieler auf den Außen. Schalkes Formation schrie: Die Null muss stehen!
2. Wenig Neues im Westen
Leider stand die Null nur für kurze Zeit. Bereits nach 14 Minuten ging Leipzig durch Timo Werner in Führung, nachdem Schalke keinerlei Zugriff herstellte auf einen gegnerischen Flügelangriff. Leipzig zog sich nach dem Tor im 4 – 4‑2-System (untypisch weit) zurück. Sie überließen den Schalkern das Feld. Diese mussten fortan das Spiel in die Hand nehmen.
In der Folge gab es den Beleg dafür, wie wenig ein neuer Coach innerhalb nur eines Trainingstages ausrichten kann. Schalkes Spiel erinnerte frappierend an die unterdurchschnittliche Hinserie unter Vorgänger Domenico Tedesco. Innerhalb des 5 – 3‑2-Systems verteidigte Schalke zwar souverän und stand zumeist kompakt. Offensiv konnten sie jedoch kaum Gefahr ausstrahlen.
Gerade das offensive Mittelfeld verwaiste. Die vielen Flügelverlagerungen, die Schalkes Verteidiger sowie Achter Sebastian Rudy spielten, landeten im Nichts. Somit konnten sie nur punktuell vor das Tor gelangen gegen einen Gegner, der kaum Druck ausübte.
3. Die Moral ist zurück
Eins kann man Schalke jedoch nicht absprechen: Der Einsatz stimmte. Anders als in den vergangenen Spielen gegen Düsseldorf (0:4), Bremen (2:4) und Manchester City (0:7) brach das Team nach dem Rückstand nicht auseinander. Im Gegenteil: Stevens‘ Mannschaft schob nach der Pause weiter nach vorne, erhöhte den Druck im Pressing und kam so in der zweiten Halbzeit zu guten Chancen.
Schalke gelang es vor allem, die Hoheit in Luftduellen zu gewinnen. Breel Embolo und der eingewechselte Guido Burgstaller gewannen viele Kopfballduelle, das umtriebige Mittelfeld sammelte die zweiten Bälle ein. Damit überdeckte Schalke die spielerischen Schwächen, die auch nach der Pause weiterhin bestanden; die Passgenauigkeit betrug gerade einmal 71%. Zumindest aber kann man Schalke nicht vorwerfen, sie hätten sich Zweikämpfen verweigert. Am Ende stand dennoch ein unbefriedigendes 0:1, trotz Chancen nach Flanken und Standards.
4. Stevens muss auch offensiv Lösungen anbieten
Nach Stevens erster Partie lässt sich das Fazit ziehen: Die Mannschaft lebt! Kampfgeist und Einsatzwille stimmten. Über weite Strecken der Partie verteidigte Schalke zudem gut. Der Wermutstropfen: All diese Sätze galten bis vor wenigen Wochen auch noch für den FC Schalke unter Tedesco.
Die große Schwachstelle war weder die Defensive noch der Einsatz, sondern das Toreschießen. Gerade einmal 27 Treffer gelangen Schalke in 26 Spielen, im Jahr 2019 kommen sie sogar nur auf sieben Treffer in neun Spielen. Nur Tabellenschlusslicht 1. FC Nürnberg traf seltener. Bei Schalkes direkte Konkurrenz aus Stuttgart (14 Tore in 2019) und Augsburg (12) zeigte die Formkurve zuletzt nach oben.