Zahlreiche Medien spekulieren derzeit, ob Robert Lewandowski zum FC Bayern wechseln wird. Wir haben nachgefragt bei Gianluca Di Marzio, dem Reporter, der Mitte Januar den Guardiola-Coup enthüllte. Di Marzio behauptet, dass Pep Guardiola in den nächsten Tagen über den Transfer des BVB-Stürmers entscheiden wird. Ein Gespräch über Gerüchte und berühmte Väter, die Diego Maradona zum Zigaretten holen schickten.
Gianluca Di Marzio, Sie waren der erste Journalist, der von Pep Guardiolas Verpflichtung beim FC Bayern berichtete. Wann war das?
Ich hatte bereits vor Weihnachten gehört, dass sich Guardiola mit der Bayern-Führung und der Unternehmensspitze von Adidas in New York getroffen hatte. Bei diesem Meeting ging es wohl um die endgültige Verpflichtung Guardiolas als Bayern-Coach. Mit dabei bei dem Treffen waren auch Vertreter von Nike, die sichergehen wollten, dass ihre langjährige Zusammenarbeit mit Guardiola weiterhin bestehen bleibt. Allerdings soll Guardiola erklärt haben, dass seine Beziehung zu Nike rein freundschaftlich sei. Ein exklusiver Vertrag zwischen ihm und Nike besteht nicht.
Wie haben Sie von dieser Zusammenkunft erfahren?
Mein Journalisten-Credo verbietet mir natürlich, das mit Ihnen zu teilen. Aber soviel darf ich verraten: Es waren viele italienische Klubs an Guardiola interessiert. Als sie näher an ihm dran waren, realisierten sie, dass ihnen der FC Bayern zuvorgekommen war.
Und wenn Ihre Quelle nun falsch gelegen hätte?
Meine Informanten sind sehr vertrauenswürdig, aber ein Restrisiko zur totalen Blamage besteht immer. Zum Glück ging alles gut.
Bereits am 20. Dezember soll Guardiola einen Vertrag bei den Bayern unterschrieben haben. Sie erfuhren dies noch vor den Festtagen im Dezember. Warum veröffentlichten Sie diese Neuigkeit erst am 15. Januar?
Am Anfang habe ich diesen Wechsel wie ein Gerücht behandelt. Ich brauchte noch mehr Belege. Gerade bei einem so großen Coup musste ich sichergehen, dass alle Details verifiziert wurden. Am 15. Januar erhielt ich die letzte notwendige Bestätigung: Mir wurde verraten, dass Guardiola den Vertrag unterzeichnet hatte. Noch am selben Abend veröffentlichte ich die News.
Das muss der wichtigste Scoop Ihrer Journalistenkarriere sein.
International ist es definitiv mein größter Erfolg. Aber in Brasilien bin ich beispielsweise schon bekannt wegen der Verbreitung von Patos Wechsel nach São Paulo und in Argentinien brachte ich Lavezzis Transfer vom SSC Neapel zu Paris Saint-Germain in Umlauf. In Italien arbeite ich bereits seit 15 Jahren als Transfermarkt-Experte.
Sie haben 145.000 Follower auf Twitter (@dimarziotweet). Wie viele kamen im Januar hinzu?
Das waren einige. Die Unique Visits auf meiner privaten Webseite sind am Ende des Transfermarkts gleich auf 100.000 hochgeschnellt!
Und nun folgte erst kürzlich die nächste Nachricht: Die Meldung vom Wechsel von Robert Lewandowski zum FC Bayern schlug hohe Wellen. Stimmt es, dass Sie eine Nachricht vom deutschen Twitterer @breitnigge als Beleg genommen haben?
Den kenne ich nicht einmal (lacht). Auf Twitter folge ich ihm nicht, aber falls er tatsächlich schneller gewesen sein soll, dann möchte ich ihm mein Kompliment aussprechen. Von Lewandowskis Transfer nach München wusste ich schon sehr früh. Zu diesem Wechsel habe ich mich bereits am 21. Januar öffentlich geäußert. Während meines Transfermarkt-Programms auf Sky wurde ich gefragt: „Welchen Spieler wird Guardiola als ersten einkaufen?“ und ich nannte Lewandowski. Massimo Morales (1992 bis 1995 B‑Junioren- und Assistenz-Trainer bei Bayern München, d. Red.) war in dieser Sendung zu Gast und widersprach mir. Er meinte, es sei unmöglich, Lewandowski passe nicht zum Spiel von Pep Guardiola. Und ich antwortete nur, dass die Bayern bereits an Lewandowski dran seien.
Über seinen definitiven Wechsel wird zurzeit noch heftig spekuliert. Deutsche Medien sind sich uneins. Lewandowski hat nicht dementiert.
Uns wurde noch am 21. Januar bestätigt, dass sich Dortmund und Lewandowski mit Bayern München geeinigt haben. Aber das letzte Wort hat Pep Guardiola. In den kommenden Tagen soll es zu einer erneuten Zusammenkunft zwischen ihm und der Bayern-Führung kommen, in der Guardiola entscheiden wird, ob der Klub Lewandowski verpflichtet oder nicht. Es ist das erste Treffen, in dem es um taktisches Vorgehen auf dem Transfermarkt geht. Lewandowski stand bei den Bayern übrigens schon vor den Verhandlungen mit Guardiola auf der Wunschliste.
Denken Sie, dass Guardiola dem Lewandowski-Wechsel zustimmt?
Lewandowski ist ein Ausnahmestürmer und eigentlich zu gut, um abgelehnt zu werden. Guardiola könnte immer noch sein Veto einlegen. In diesem Fall würde der FC Bayern die Vereinbarung mit Lewandowski aufheben. Ich denke allerdings, dass dieser Transfer zustande kommen wird.
Und dann werden Sie das gleich tweeten.
Das wäre es ja noch, wenn ich mich nur um den FC Bayern München kümmern würde (lacht)! Ich habe hier in Italien genügend Vereine, die ich beobachten muss. Aber wenn ich davon Wind bekomme, geht das natürlich online. Bayern hat bei mir aber keine Priorität.
Lagen Sie schon einmal komplett daneben mit einem Gerücht?
Klar! Wir hatten mal auf Sky angekündigt, dass Christian Vieri zu Juventus Turin zurückkehren würde, stattdessen ging er nach Mailand! Das werden wir nie mehr vergessen, wir waren uns so sicher. Viele Zeitungen hatten unsere Nachricht aufgenommen und weiter verbreitet.
Was ist Ihr neuster Coup?
Louis Saha ist als Ersatz für den verletzten Miroslav Klose zu Lazio Rom gewechselt.
Wie gut sind Sie vernetzt?
Der Konkurrenzkampf in Italien ist natürlich sehr groß. Man äußert seine wertvollen Informationen selbst gegenüber Freunden von anderen Sendern und Zeitungen nicht. Ich habe ein sehr großflächiges Netz von Informanten. Sie sind über die ganze Welt verteilt. Aber ich arbeite natürlich nicht alleine bei Sky Sport. Wir sind zu Acht und jeder kümmert sich um seine eigenen Kontakte zu Agenten und Klubs. Auch wenn die Infos unter meinem Namen an die Öffentlichkeit geraten, muss man bedenken, dass ich im Hintergrund Tipps und Gerüchte von sieben weiteren Mitarbeitern verarbeite.
All Ihre Kontakte kommen natürlich nicht aus dem Nichts. Sie genossen bereits von klein auf dank Ihres Vaters eine besondere Nähe zum Fußball.
Genau, mein Vater, Gianni Di Marzio, war Coach bei Neapel. Natürlich hatte ich einen Vorteil, als ich in die Medienwelt des Fußballs eingetreten bin, schon alleine weil alle meine Gesprächspartner meinen Vater kannten und mir daher großen Respekt entgegen brachten. Mein Nachname war sicherlich der Schlüssel zu vielen wichtigen Beziehungen. Aber ich musste mir das Vertrauen trotzdem zuerst verdienen. Meine Quellen wissen: Ich veröffentliche nur, womit sie einverstanden sind und verschweige Ihre Namen.
Tauschen Sie sich mit Ihrem Vater aus?
Mein Vater braucht mir nicht mehr zu helfen. Er ist heute als Fußballexperte tätig und kommt oft zu mir für die neuesten Gerüchte und Meldungen.
Stimmt es, dass Ihr Vater Diego Maradona entdeckte?
1978 ging mein Vater – damals noch Coach von Neapel – für die WM nach Argentinien. Ein italienischer Bekannter von dort machte ihn auf einen jungen talentierten Spieler aufmerksam. Mein Vater schaute sich also Diego Maradona bei einer Partie an und fand sofort Gefallen an ihm. Er versuchte Maradona nach Italien zu holen, aber Ausländer konnten nicht nach Italien reisen, weil die Grenzen geschlossen waren. Also hätte ihn Neapel kaufen und ein zwei Jahre in der Schweiz oder Belgien spielen lassen müssen, bis die Grenzen wieder offen gewesen wären. Zu dem Zeitpunkt hätte Maradona fast nichts gekostet, nur 300.000 Dollar! Doch Corrado Ferlaino, der damalige Präsident, hielt es für zu riskant und lehnte ab. 1983 war es dann aber genau Ferlaino, der Maradona für 14 Milliarden Lire verpflichtete, also für einiges mehr. In seinem ersten Interview in italienischen Medien sagte Diego Maradona: „Der erste Italiener, der mich gesehen hat und nach Italien holen wollte, war Gianni Di Marzio.“
Ihr Vater und Maradona scheinen sich sehr nahe gewesen zu sein.
Mein Vater schätzte ihn natürlich sehr. Als sie sich in Argentinien kennen lernten, war Maradona noch sehr arm. Mein Vater unterstützte ihn und schenkte ihm Kleidung, dafür schickte er ihn aber auch mal gerne Zigaretten holen. Ich scherze immer mit meinem Vater, dass er keinen Respekt hatte für die Legende Maradona (lacht).