Vor der Corona-Pause war der Linzer ASK der helle Stern des österreichischen Fußballs, danach auf einmal der Beelzebub. Wie konnte das passieren?
Danach ist auch im österreichischen Fußball pandemiebedingt erst mal Feierabend. Als sich Ende April die Möglichkeit einer Fortsetzung der Saison andeutet, beschließt die Liga in Absprache mit der Politik, zunächst nur in Kleingruppen zu trainieren. Irgendwann danach fällt jemand beim LASK eine falsche Entscheidung.
Sowohl das Fehlverhalten der Linzer als auch die Umstände seiner Enthüllung sind von einer beachtlichen kleinkriminellen Energie geprägt und erinnern in ihrer Skurrilität an einen anderen österreichischen Skandal der jüngeren Vergangenheit, das sogenannte Ibiza-Video des rechtspopulistischen Politikers Heinz-Christian Strache. Nachdem der Tabellenführer, vorgeblich wegen Bauarbeiten, sein Trainingsgelände verhüllt und Security-Personal postiert hat, kommen in der Liga Gerüchte auf, der Verein würde verbotene Mannschaftstrainings durchführen. Daraufhin steigen, so zeigen es später ausgewertete Aufnahmen einer Überwachungskamera, vermummte Unbekannte beim LASK ein und installieren eine Webcam, deren Aufnahmen das Ungeheuerliche belegen.
„Du wirst erst geliebt und gelobt. Und plötzlich wirst du gehasst und bist böse“
Wer die Beschaffung der Bilder beauftragt hat, ist bis heute ungeklärt. Gut dokumentiert ist aber der Sturm der Entrüstung, der danach losbricht. Vom Punktabzug bis zum Ausschluss aus der Europa League wird so ziemlich alles gefordert, was die Statuten an möglichen Bestrafungen hergeben. Der LASK wiederum verteidigt sich mehr schlecht als recht – so beteuert Ismael, es sei ihm eher um Verletzungsprophylaxe als um einen Wettbewerbsvorteil gegangen – und verschanzt sich anschließend in einer Wagenburg. Ende Mai, kurz bevor in der Liga wieder gespielt wird, verurteilt der Senat 1 der österreichischen Bundesliga den Klub schließlich zu einem Abzug von sechs Punkten und einer Geldstrafe von 75 000 Euro. Es ist die Zeit, als der Grazer Stürmer Jantscher beteuert, keinem aus dem Linzer Kader jemals wieder die Hand schütteln zu wollen.
Die Affäre ruiniert die bis dahin so großartige Saison des LASK in jeder Hinsicht. Zwar bekommen die Linzer in der Berufungsinstanz zwei der sechs abgezogenen Punkte zurück, doch der sportliche Lauf ist völlig dahin. Der einstige Tabellenführer wird am Ende nur Vierter und verpasst die direkte Qualifikation für den Europapokal. Was sicher auch mit der verheerenden Außenwirkung des Geschehens zu tun hat. „Du wirst erst geliebt und gelobt“, sagt Ismael. „Und plötzlich wirst du gehasst und bist böse – damit musst du als junger Spieler erst mal klarkommen.“ Der kurz zuvor gefeierte Trainer muss nach Saisonende sogar seinen Hut nehmen.
Der rasante Weg des LASK vom bestaunten Aufsteiger zum Beelzebub des österreichischen Fußballs ist tatsächlich bemerkenswert. Dass sich die Linzer ungehörig verhalten und in letzter Konsequenz auch die Fortsetzung der Saison gefährdet haben, steht außer Frage. Dass ihnen dafür mehr Verachtung entgegenschlägt, als es der von Red Bulls Gnaden konkurrenzlose Serienmeister je geschafft hat, ist für Nicht-Österreicher dann doch überraschend. Nicht jedoch für Paul Litzlbauer, der den Groll etwa der beiden Wiener Klubs Rapid und Austria sowie den von Sturm Graz durchaus nachempfinden kann: „Diese Vereine haben sich jahrelang anhören müssen, wieso der LASK so viel besser ist, obwohl ihm weniger Mittel zur Verfügung stehen. Jetzt hat man endlich etwas, auf das man mit dem Finger zeigen kann.“ Zumal die Linzer mit ihren Erfolgen der letzten Jahre nicht übertrieben bescheiden umgegangen sind.
Was die Halbwertzeit des ethisch-moralischen Makels insbesondere bei den gegnerischen Fans angeht, ist Litzlbauer illusionslos: „Dieser Kaugummi wird uns noch länger am Stiefel kleben.“ Dumm gelaufen. Oder wie es in Österreich onomatopoetisch ansprechender heißt: Gschissn grissen.