Hätte es für das „Handspiel“ von Marc Bartra im Revierderby Elfmeter geben müssen? Warum unser Autor diese Frage mit einem klaren „Nein“ beantwortet. Und die Schiedsrichter in die Pflicht nimmt.
Die WM 1978 in Argentinien war noch keine Woche alt, da wurde den meisten Beobachtern kar, dass es bei diesem Turnier nicht mit rechten Dingen zuging. Beim Gruppenspiel der Gastgeber stand es kurz vor der Pause 0:0, als Argentiniens Mittelstürmer Leopoldo Luque aus etwa elf Metern Torentfernung und in halblinker Position zum Schuss kam.
Frankreichs Libero Marius Trésor machte mit ausgestreckten Armen einen Ausfallschritt, um den Ball zu blocken. Er lag schon fast auf dem Boden, als Luque abzog und die rechte Hand des Franzosen traf. Von ihr prallte der Ball ins Seitenaus. Schiedsrichter Jean Dubach beriet sich mit seinem Linienrichter, dem in Bremen geborenen Kanadier Werner Winsemann. Dann entschied er auf Elfmeter.
Diskussionen nach „unnatürlicher Haltung“ waren früher unbekannt
Der schon damals berühmte englische Journalist Brian Glanville nannte die Entscheidung erst „furchtbar“. Dann, weil ihm dieses Wort nicht stark genug war, „ungeheuerlich“. Für das Magazin „Der Spiegel“ war es ein „geschenkter Elfmeter“ und ein weiteres Indiz dafür, dass die Schiedsrichter „die Heimmannschaft ins Endspiel geleiteten“.
Dubach war die Entscheidung später so peinlich, dass er die Schuld dafür Winsemann gab. Winsemann wiederum behauptete, er hätte auf Eckball entschieden und wäre von Dubach nur gefragt worden, ob die Aktion innerhalb des Strafraums passierte.
Warum erzähle ich das? Weil damals erst gar nicht darüber diskutiert wurde, ob Trésor möglicherweise seinen Arm in einer „unnatürlichen Haltung“ hatte oder versuchte, seine „Körperfläche zu vergrößern“.
Entscheidung im Geist des Fußballs
Niemand sagte „Da hat die Hand nichts zu suchen“, niemand stöhnte, dass die Regel sehr schwammig wäre und die Schiedsrichter einen schwierigen Job hätten. Nicht einmal Dubach und Winsemann versuchten, den Strafstoß zu rechtfertigen. Es war einfach klar, dass die Entscheidung hanebüchener Unsinn war.
Heute ist das anders. Heute werden die absurdesten Handelfmeter gepfiffen – und dann von den Schiedsrichtern auch noch verteidigt! Und warum tun sie das? Weil ihnen die grundlegendste Anweisung, die ihnen das Regelheft vorschreibt, nicht mehr bewusst ist.
Sie lautet: „Der Schiedsrichter entscheidet im Sinne der Spielregeln und im Geist des Fußballs“. Das heißt, dass der Referee – und auch jeder Reporter und Fan – sich in einem Zweifelsfall fragen muss, was der Sinn einer bestimmten Regel ist, warum sie überhaupt im Regelheft steht.
Im Geist des Fußballs ist dies: Ein Spieler muss bestraft werden, wenn er sich auf unfaire Weise einen Vorteil verschafft; ein Spieler sollte nicht bestraft werden, wenn ihm nur ein unglückliches Missgeschick passiert.