Irgendwo zwischen Euphorie und Ernüchterung – so könnte man die Gefühlslage beim 1. FC Kaiserslautern aktuell beschreiben. Der Traditionsverein ist nach Jahren des freien Falls im Niemandsland der 3. Liga angekommen. Weshalb sich eine ganze Region an die wenigen großen Spiele in einer Saison klammert – wie das DFB-Pokal-Achtelfinale gegen Düsseldorf.
Die Pfälzer Fußballnarren sind ein launisches Völkchen. Schnell träumen die Anhänger des FCK nach einem Sieg davon, vielleicht doch bald wieder auf der ganz großen Fußballbühne zu spielen. Die fußballverrückte Stadt schwelgt dann in Erinnerungen, die Gespräche in den Kneipen kreisen um die glorreichen Zeiten. Wie damals in den 90ern mit Größen wie Rehhagel und Kuntz, als der Betzenberg noch als unbeliebtestes Auswärtsspiel unter den Bundesligisten galt. Wenn die Fans, die schon damals auf den Betzenberg gegangen sind, von den großen Spielen des Klubs erzählen, fühlt es sich sogar als Millennial so an, als sei man selbst auf der Tribüne dabei gewesen. Beim 7:4 über die Bayern 1973 oder dem 5:0‑Kantersieg gegen die Königlichen aus Madrid. Großväter und Väter schwärmen vom legendären Spiel 1991 gegen Barcelona, als die Ränge des Fritz-Walter-Stadions brannten und die Roten Teufel Stars wie Pep Guardiola das Fürchten lehrten.
Das Kunststück, als Aufsteiger Meister zu werden, wird auf ewig mit dem Namen FCK in Verbindung stehen. Beim letzten Kurzbesuch in der Bundesliga watschte der Aufsteiger im ersten Bundesligaheimspiel nach vier Jahren die Münchner Bayern mit 2:0 ab. Der Betze bebte. Zehn Jahre später kommen die großen Namen nur noch selten auf den höchsten Fußballberg Deutschlands, wie ihn Stadionsprecher Horst Schömbs stolz vor jedem Heimspiel bezeichnet. Wenn nicht gerade ein „Retterspiel“ gegen den FC Bayern München ansteht, ist der Pokal die letzte verbliebene große Bühne für den FCK.
Doch auch hier haben die Roten Teufel in den letzten Jahren an Strahlkraft verloren. In der Saison 18/19 ging der damalige Zweitligaabsteiger mit 1:6 in der ersten Runde gegen Hoffenheim unter. Das letzte große Pokaljahr der Pfälzer liegt schon sechs Jahre zurück. Damals, in der Saison 13/14, kämpfte sich der Verein mit Spielern wie Willi Orban oder Tobias Sippel unter Trainer Kosta Runjaic bis ins Halbfinale. Endgegner für die Pfälzer war der spätere Pokalsieger aus München.
Dennoch sind es immer noch die Pokalspiele, die von der prekären Situation des Traditionsvereins wenigstens für einen Abend ablenken. Wenn die Elf im Flutlicht vor vollen Tribünen spielt rücken die finanziellen Engpässe und die sportliche Talfahrt der letzten Jahre für kurze Zeit in den Hintergrund. Die Hoffnung, zum Glanz der alten Tage zurückzukehren, blüht wieder auf.
So wie beim bisherigen Highlight dieser Saison. Gleich im ersten Heimspiel der neuen Spielzeit erwartete die Region mit dem Duell gegen den Rivalen aus Mainz ein Derby. Pfalz gegen Rheinhessen. FCK gegen FSV. Die Fanlager fieberten dem ersten Aufeinandertreffen seit über fünf Jahren entgegen und beidseitige Provokationen läuteten einen besonderen Pokalfight ein. Das Fritz-Walter-Stadion war mit über 40.000 so gut gefüllt wie lange nicht, die Stimmung fast wie zu alten Zeiten. Und tatsächlich gelang den Roten Teufeln gegen Mainz 05 das für unmöglich gehaltene: ein 2:0‑Sieg über den Bundesligisten. Das Stadion, das in der dritten Liga wie ein Fremdkörper wirkt und dem Verein seit dem Umbau zum WM-Tempel mehr Fluch als Segen ist, wurde seiner Größe endlich wieder einmal gerecht. Ein erkämpfter, zuweilen glücklicher, aber nicht unverdienter Sieg sollte eine große Saison einläuten. Rückkehr in die zweite Liga, die Champions League im Blick – so oder so ähnlich stellte sich das der luxemburgische Investor Flavio Becca vor. Die Ernüchterung folgte in typischer FCK-Manier auf dem Fuß.