Mit wenig Geld, viel Mut und Glückskeks-Phrasen hat sich der FC Granada bis ins Viertelfinale der Europa League vorgekämpft. Dort wartet heute Manchester United. Wer ist der andalusische Underdog, der Großes erreichen will?
Granada liegt im Süden Spaniens, etwa anderthalb Autostunden nordöstlich von Malaga. Bis der Granadiner zum Flachköpper ansetzen darf, am Playa Granada im Süden, dauert es gute 50 Minuten. Bekannt ist die Stadt vor allem für ihre mittelalterliche Architektur und die arabisch-maurischen Einflüsse. Wahrzeichen ist die über der Stadt thronende Alhambra, eine Festungsanlage aus Zeiten der maurischen Besatzung. Neben alten Steinen ist Granada eine sehr junge Stadt, die auch subkulturell einiges zu bieten hat. Insbesondere bei internationalen Studierenden ist Granada aufgrund des dauerhaft milden Klimas sehr beliebt. Wer für sein Erasmus-Semester ein Teil der fast 70,000 Studierenden der hiesigen Universität wird, darf sich über Cerveza aus der Brauerei Alhambra freuen und mit den dazu gereichten Tapas das Leben genießen.
Dabei werden die wenigsten mitbekommen, dass in der Stadt auch professionell Fußball gespielt wird. 2001 stiegen die (nach der letzten maurischen Herrscherdynastie benannten) Nazaries in die vierte Liga ab. Nach vier Jahren Dürre in der Sierra Nevada gelang ein sukzessiver Aufstieg bis ins Oberhaus, innerhalb von nur sechs Jahren. Nach einigen Fahrstuhljahren wird im Estadio Nuevo los Carmenes nun wieder erstklassig gekickt. Und das nicht gerade unerfolgreich. Schon im ersten Jahr, in der Saison 2019/2020, begeisterte die Mannschaft von Diego Martinez. Nach zehn Spieltagen forderte der Neuling als Tabellenführer den Platzhirsch aus Barcelona heraus und gewann mit 2:0. Im Gegensatz zu anderen, vermeintlichen Leichtgewichten in La Liga ging den Granadinern nicht die Puste aus. Am Ende stand ein beachtlicher sechster Platz auf der Habenseite. Damit qualifizierten sich die rot-weißen das erste Mal für einen europäischen Wettbewerb – mit dem kleinsten Budget der Liga.
Das größte Abenteuer der Vereinsgeschichte startete im Stadiumi Niko Dovana im albanischen Durres. In der Küstenstadt setzten sich die Gäste mit 4:0 durch. In der nächsten Runde wurde der Kontrahent Lokomotivi Tbilisi aus Georgien mit einem 2:0 nach Hause geschickt. In der dritten Qualifikationsrunde wartete mit Malmö FF das erste Mal ein namhafter Gegner. Doch die Spanier nahmen auch diese Hürde. Durch ein 3:1 in Schweden qualifizierte Granada sich für die Gruppenphase, wo mit PAOK Saloniki und Omonia Nikosia machbare Aufgaben warteten. Komplettiert wurde die Gruppe durch Mario Götzes PSV Eindhoven, die als Favorit gesehen wurden.
Gleich am ersten Spieltag zeigten die Granadiner aber ihre Klasse und besiegten die Niederländer mit 3:1 – ein erstes Ausrufezeichen auf europäischer Bühne. Zur gleichen Zeit lief es in der Liga ähnlich wie im Vorjahr. Am 7. Spieltag gelang die bisher beste Saisonplatzierung – Rang 2. Die grandiose Form konnten die Granadiner allerdings nicht halten. Die Dreifachbelastung setzte dem Kader zu. Kontinuierlich ging es in der Tabelle nach unten, während es in der Europa League drei Siege, zwei Unentschieden und eine Niederlage gegen die PSV gab. Die Tabelle zeigte letztlich einen soliden zweiten Platz – mit nur einem Punkt weniger als Eindhoven. Die Auslosung für das Sechzehntelfinale brachte Granada die nächste Herausforderung: den SSC Neapel.
Beim amtierenden italienischen Pokalsieger wurde das aus der Gruppenphase erprobte 4−1−4−1 gegen ein offensives 4−3−3 getauscht. Der Mut machte sich bezahlt: Wieder war der Außenseiter erfolgreich, dabei zeigten die Spanier der Mannschaft von Gennaro Gattuso vor allem zwei ihrer vielen Trümpfe. Das schnelle Umschaltspiel und die beeindruckende Kopfballstärke sorgten am Ende dafür, dass die Mannschaft von Diego Martinez eine Runde weiter kam. Im Achtelfinale war Granada dann das erste Mal so etwas wie der Favorit. Gegen Hoffenheim-Besieger Molde FK reichten ein 2:0 und 1:2 zum Weiterkommen. Danach hielt die Loskugel für das Viertelfinale kurz nach Ostern ein dickes Ei parat: Manchester United.