Roberto Baggios Spiel sucht bis heute seinesgleichen, doch seine Karriere wird für immer von einem Fehlschuss definiert sein. Vielleicht auch deshalb verabschiedete er sich aus der Fußballwelt. Warum er die Heimat verließ und wieso er seinen „Ballon d’Or“ versteigerte.
Heute ist im Leben des Roberto Baggio vom Fußball nicht viel geblieben. Er versucht stattdessen, die Menschen auf andere Art glücklich zu machen. Schon 2002 wurde er zum Botschafter der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft ernannt, die gegen den weltweiten Hunger kämpft. Durch die Organisation und außerhalb hat er Krankenhäuser finanziert, für globale Katastrophenhilfeprogramme gespendet und sich darüber hinaus politisch engagiert, beispielsweise für die vormals inhaftierte heutige birmanische Regierungschefin Aung San Suu Kyi. 2010 wurde er von den Preisträgern des Friedensnobelpreis als „Man of Peace“ ausgezeichnet. Seinen 1993 gewonnen Ballon d’Or versteigerte er schon ein Jahr später für einen guten Zweck.
Damals war auch noch mehr Fußball in Baggios Leben. Nach der verkorksten WM 2010 in Südafrika wurde er beim italienischen Verband FIGC zum Direktor des technischen Sektors und sollte die Erneuerung des italienischen Fußballs vorantreiben. Mit 50 Mitarbeitern erarbeitete er einen 900 Seiten starken Bericht über Status Quo und Zukunft des italienischen Jugendfußballs. Weil davon nie etwas umgesetzt wurde, trat er 2013 zurück. Daneben erwarb er die UEFA-Pro-Lizenz. Als Pep Guardiola zum FC Bayern ging, kamen kurzfristig Gerüchte auf, Baggio könnte seinem ehemaligen Mitspieler in Brescia als Co-Trainer folgen. Doch mittlerweile scheint Baggio von einem Trainerjob weiter entfernt als sein 1994er Elfmeter von der Querlatte.
Im letzten Leben eine Ente
Während er von 1991 bis 2012 noch ein Sportgeschäft in Vicenza betrieb, das in Folge der Finanzkrise schließen musste, ist heute nicht mehr viel von Roberto Baggio zu hören. Nur ganz selten nimmt er öffentliche Termine wahr. Zum Beispiel 2017, als Diadora seine ikonischen „Match Winner“-Schuhe neu auflegte. Oder 2014, als er das größte buddhistische Zentrum Europas am Stadtrand von Mailand einweihte.
„Mein Traum ist es, ein Bauer zu sein, bei mir zu Hause in Caldogno, auf dem Feld zu arbeiten und dabei Radio zu hören, Fußballübertragungen“, sagte Baggio einst. In Argentinien hat er sich den Bauern-Teil dieses Zukunftswunsches erfüllt. Dort besitzt er eine Ranch, wo er auch jagen geht. Den Konflikt von Töten und Buddhismus löst er mit dem Hinweis, dass der Tod etwas Natürliches sei. Sein Lieblingsziel auf der Jagd sind Enten, obwohl oder gerade wegen seiner persönlichen Vermutung, in einem vorangegangenen Leben selbst eine Ente gewesen zu sein. Nebenbei ist er in Argentinien Fan von Boca Juniors geworden.
Den legendären Zopf, der ihm seinen Spitznamen „Divin Codino“, göttlicher Zopf, einbrachte, hat er schon vor Jahren abgeschnitten und einem Freund geschenkt. Der bewahrt ihn in einer Glasvitrine auf. Wo sich der Ball aus dem WM-Finale von 1994 mittlerweile befindet, ist nicht bekannt. Es sind die symbolischen Monumente von Baggios Karriere. Doch eigentlich transzendiert sie jeden Symbolismus. Die Welt sollte sich glücklich schätzen, sie erlebt zu haben.