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Seite 2: "Als er die Macht des Balles verlor, wurde er angreifbar"

Andere große Fuß­baller hören irgend­wann auf und gehen nach Hause. Diego nicht. Er machte immer weiter. Und da begann sein wirk­li­cher Kampf. Denn als er die Macht des Balls an seinem Fuß verlor, wurde er angreifbar. Ich sagte ihm einmal, dass er der Jesse James des Fuß­balls sei. Der Ball an seinem Fuß war für ihn wie für Jesse James die Pis­tole in der Hand. Und in dem einen Moment, in dem Jesse James die Pis­tole aus der Hand legte, haben sie ihn erschossen. Ich sagte ihm: Wenn du mit dem Fuß­ball­spielen auf­hörst, wirst auch du ver­wundbar sein.“

Aber Diego ist ein guter Kämpfer, er ist stark, ein Über­le­bens­künstler. Man muss sich nur daran erin­nern, wie dick er war, so dick, dass er fast gestorben wäre, und dann sah er plötz­lich wieder aus wie mit 30 und mode­rierte eine Fern­seh­show. Und zwar erfolg­reich! Ich habe das Gefühl, dass er sich mitt­ler­weile weit ent­fernt hat von den Dingen, die ihm schaden. Und ich bin sehr glück­lich, dass er das alles über­lebt hat.

Diego hat immer nur für sich gekämpft“

Ein Rebell war Diego eigent­lich nie. Aber wenn einer aus einem Armen­viertel kommt, von ganz unten, und so weit nach oben auf­steigt, dann gibt ihm das ein Gefühl von All­mäch­tig­keit. Diego hatte das Gefühl, dass er alles sagen konnte, was er wollte. Seit der WM 1986 hielten auch die Fans Diego für einen, der auf­sässig ist, der sich nicht zähmen lässt, der für die Gerech­tig­keit kämpft. Sie glaubten, er ver­trete ihre For­de­rungen, ihre Rechte. Aber sie haben sich getäuscht: Diego hat immer nur für sich gekämpft. Es waren seine per­sön­li­chen Kämpfe. Mit einem revo­lu­tio­nären Führer hat er nichts gemein.

Natür­lich sieht er sich selbst als Rebell, spä­tes­tens nachdem ihn die FIFA von der WM 1994 in den USA aus­ge­schlossen hatte. Die USA ver­boten ihm danach auch lange Zeit die Ein­reise, wegen seiner Dro­gen­pro­bleme. Viel­leicht fühlt er sich des­wegen so zu Che Gue­vara, Fidel Castro und Hugo Chavez hin­ge­zogen: Die Feinde der USA sind seine Freunde. Sie erscheinen ihm in seiner Welt wie Robin Hoods, wie Legenden, die poli­ti­sche Ana­lyse inter­es­siert ihn dabei wenig. Er han­delt nun mal rein intuitiv.

Er hat ein­fach immer das gemacht, wozu er gerade Lust hatte“

Im Grunde ist das das einzig Rebel­li­sche an Diego: dass er intuitiv han­delt, nicht rational. Er schert sich nicht um Kon­ven­tionen. Er war sich immer darin treu, heute dies zu tun und morgen das Gegen­teil. Diego kann heute die Prä­si­dentin kri­ti­sieren und sie nächste Woche herz­lich umarmen und mit ihr einen Kaffee trinken. Am einen Tag trifft er sich mit Fidel Castro, am nächsten hängt er mit der Schi­ckeria im noblen Badeort Punte del Este ab; erst besucht er ein Armen­viertel, dann fliegt er mit Hugo Chavez nach Mar del Plata. Er hat ein­fach immer das gemacht, wozu er gerade Lust hatte.

Es ist schwierig zu sagen, wer und wie Diego Armando Mara­dona eigent­lich ist. Ich glaube, den authen­ti­schen Diego gab es nur auf dem Fuß­ball­platz. Abseits des Platzes jedoch legte er sich eine Per­sön­lich­keit zu, er wurde zu einem Schau­spieler seines eigenen Lebens. Seine Sucht­pro­bleme etwa zeigte er so öffent­lich, als würde er sie nur spielen. Als er nach Kuba reiste, war er ein Schau­spieler der Revo­lu­tion. Als Natio­nal­trainer Argen­ti­niens setzte er ein Trai­ner­ge­sicht auf, wie ein­stu­diert für eine Rolle. Aber für mich ist das nicht der Diego, den ich kenne. Für mich ist Diego der Fuß­baller, der auf dem Platz so genial war. Über den keiner seiner Mit­spieler etwas Nega­tives sagen würde, weil er immer soli­da­risch war, seine Kame­raden ver­tei­digt hat.

Diego ist kein Typ für ein wohl­ge­ord­netes Leben. Da ist immer irgendein Kon­flikt, jetzt gerade ist, so schreibt es die hie­sige Klatsch­presse, seine Exfreundin schwanger und er hat sich angeb­lich von ihr getrennt, weil er kein Kind mehr will. Sein Leben gleicht in gewisser Weise einem unent­wirr­baren, wüsten Durch­ein­ander. Es ist ein Leben, das man nicht richtig ver­steht. Er könnte hier in Argen­ti­nien trai­nieren, aber er treibt sich irgendwo in Ara­bien rum oder was weiß ich wo. Aber es ist sein Leben. Er lebt so.

Und wer sind wir, dass wir das in Frage stellen?