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Wenn Hamit Altintop und Yaya Toure am Don­nerstag um 18 Uhr an die Plas­tik­schüs­seln treten, um die Grup­pen­phase der Cham­pions League für die Saison 2022/23 aus­zu­losen, werden wie gewohnt 32 Kugeln darin liegen. Wegen der gel­tenden Qua­li­fi­ka­ti­ons­re­geln kommen sie dieses Jahr aus ins­ge­samt 15 ver­schie­denen Län­dern. Die rest­li­chen 40 UEFA-Mit­glieder werden in der bevor­ste­henden Cham­pions-League-Saison nicht reprä­sen­tiert sein.

Erfah­rungs­gemäß wird sich die Zahl mit Beginn der K.-o.-Run­de weiter redu­zieren. In der ver­gan­genen Saison waren noch acht ver­schie­dene Länder in der Runde der besten 16 dabei, 2020/21 sogar nur sechs. In den 30 Jahren seit Grün­dung der Cham­pions League fand ledig­lich einmal ein Finale ohne Teil­nehmer aus Spa­nien, Eng­land, Ita­lien oder Deutsch­land statt. 2004 durch­bra­chen der FC Porto und die AS Monaco diese Domi­nanz.

Die Cham­pions League war mal euro­päi­scher

In Artikel 2 ihrer Sat­zung hat sich die Uefa die Ver­tre­tung der ganzen euro­päi­schen Fuß­ball­fa­milie“ zum Ziel gesetzt und ver­spricht sicher­zu­stellen, dass die sport­li­chen Grund­werte immer Vor­rang gegen­über kom­mer­zi­ellen Inter­essen haben.“ Aber können 15 von 55 Ver­bänden in der Cham­pions League und fast immer die­selben Länder im Finale diese beschwo­rene euro­päi­sche Fuß­ball­fa­milie ange­messen reprä­sen­tieren?

Früher war mit­nichten alles besser, die Cham­pions League aber defi­nitiv euro­päi­scher. In der ersten Aus­gabe 1992/93 waren noch 32 Länder durch ihre natio­nalen Meister ver­treten. Schließ­lich sollte schon der Lan­des­meister-Pokal klären, wo denn tat­säch­lich der beste Fuß­ball gespielt wird. Mit zuneh­mendem wirt­schaft­li­chem Erfolg wurde die Qua­li­fi­ka­tion suk­zes­sive ver­schärft und seit 1999/2000 zuneh­mend Start­plätze nach der 5‑Jahreswertung an die großen Ligen ver­geben. 2016 star­teten dann 22 statt 16 Teams direkt in der Grup­pen­phase. Seit 2018 können sich nur noch vier Meister außer­halb der besten zehn Ligen über­haupt qua­li­fi­zieren. Die groß­spu­rigen Ankün­di­gungen von ehe­ma­ligen Uefa-Prä­si­denten, nicht nur an die Großen“ zu denken (Ger­hard Aigner), oder dass der Meister aus einem klei­neren Land den Vorzug gegen­über dem Vierten eines großen Landes“ bekommt (Michel Pla­tini) – längst über­holt.

We care about foot­ball“ oder We care about money“?

Statt die Cham­pions League offen, aus­ge­gli­chen und euro­pä­isch zu gestalten, zieht die Uefa es heute vor, den eta­blierten Klubs ihre Plätze an der finan­ziell reich­ge­deckten Cham­pions-League-Tafel zu sichern, wäh­rend sie für die Ver­treter klei­nerer Ver­bände neue Kat­zen­ti­sche mit fan­ta­sie­vollen Namen wie UEFA Europa Con­fe­rence League“ auf­stellt. We care about foot­ball“ lautet der Slogan des euro­päi­schen Fuß­ball­ver­bandes. We care about money“ wäre viel­leicht die ehr­li­chere Ver­sion.

Laut Sta­tis­tik­an­bieter Sta­tista betrugen die Gesamt­ein­nahmen der UEFA aus der Cham­pions-League-Saison 2020/21 rund 2,798 Mil­li­arden Euro. Die Europa League brachte dem Ver­band gerade mal rund ein Achtel davon, näm­lich 358 Mil­lionen ein. Von allen Ein­nahmen behält die UEFA 6,5 Pro­zent, laut Geschäfts­be­richt 2020/21 173,8 Mil­lionen Euro. Der Groß­teil der ver­blei­benden Gelder wird an die teil­neh­menden Klubs aus­ge­schüttet: für die Cham­pions League 2021/22 über zwei Mil­li­arden Euro, für die Euro League nur 465 Mil­lionen und in der Con­fe­rence League waren 235 Mil­lionen zu ver­teilen. Im Ver­gleich zum großen Bruder Cham­pions League spielen die wei­teren euro­päi­schen Wett­be­werbe also eine ver­schwin­dend geringe Rolle. Und auch das Gros der Auf­merk­sam­keit bekommt die Königs­klasse.

Das zeigt eine bis­lang unver­öf­fent­lichte Studie zur Medi­en­be­richt­erstat­tung über euro­päi­sche Dimen­sionen des Klub­fuß­balls in Deutsch­land, die der­zeit im Rahmen des For­schungs­pro­jekts FAN­ZinE“ zur Rolle des Fuß­balls für den sozialen Zusam­men­halt in Europa an der Uni­ver­sität Mainz durch­ge­führt wird. Sie stellt fest, dass die Cham­pions League in den ver­gan­genen fünf Spiel­zeiten kon­ti­nu­ier­lich mehr als dop­pelt so häufig, teil­weise bis zu viermal so oft, Thema der Bericht­erstat­tung war wie die Europa League.

Bezogen auf Klub­fuß­ball aus dem euro­päi­schen Aus­land berich­teten die unter­suchten Medien in den ver­gan­genen fünf Jahren nahezu exklusiv über Fuß­ball in und aus Eng­land, Spa­nien, Ita­lien und Frank­reich. Diese Länder machten fast 70 Pro­zent aller Erwäh­nungen aus. Dabei domi­nieren beson­ders Eng­land und Spa­nien die Bericht­erstat­tung. Auf Rang fünf und sechs folgten weit abge­schlagen die Nie­der­lande und Por­tugal, wäh­rend Öster­reich, die Türkei und die Schweiz die Liste jener Länder anführen, die quasi kei­nerlei Rolle spielen. Spä­tes­tens mit Däne­mark auf Rang 16 ver­lieren die rest­li­chen 30 Uefa-Nationen nahezu jede Bedeu­tung für die deut­schen Medien und machten zusammen nicht einmal acht Pro­zent aller Erwäh­nungen aus.

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Die Mainzer Poli­tik­wis­sen­schaftler kon­trol­lierten ver­schie­dene Ein­fluss­fak­toren für diesen ein­deu­tigen Fokus in der Bericht­erstat­tung und konnten ins­be­son­dere die 5‑Jahreswertung der Uefa als wich­tigen Faktor für die Bericht­erstat­tung in deut­schen Medien iden­ti­fi­zieren: Je höher das Ran­king eines Landes, desto häu­figer wird es in deut­schen Medien erwähnt. Die mediale Bericht­erstat­tung reflek­tiert also den Zustand der Chancen(un)gleichheit des euro­päi­schen Klub­fuß­balls, was sport­liche und wirt­schaft­liche Unter­schiede mög­li­cher­weise weiter ver­stärkt.

Schließ­lich beein­flusst auch die mediale Auf­merk­sam­keit das Ver­mark­tungs­po­ten­zial von Ver­einen oder ganzen Ligen. Kom­bi­niert kann das für einen Groß­teil des euro­päi­schen Klub­fuß­balls eine Abwärts­spi­rale ergeben: Weniger Auf­merk­sam­keit führt zu weniger kom­mer­zi­ellem Erfolg führt zu weniger sport­li­cher Rele­vanz – führt zu weniger Auf­merk­sam­keit.