Seit der Affäre um die Vergabe der WM 2006 ist der Ruf von Franz Beckenbauer ruiniert. Allerdings kennt Beckenbauer diese Situation nur zu gut – schließlich hat er das alles schon mal in den Siebzigern erlebt.
„Wie sind die Helden so gefallen im Streit!“, lautet ein Ausruf im Alten Testament. Was im Deutschen vielleicht ein seltsamer Anfang für einen Text über Franz Beckenbauer ist, würde in englischsprachigen Ländern prima funktionieren. Dort kennt nämlich jedes Kind die Redewendung „How the mighty have fallen“, auch wenn ihr biblischer Ursprung wohl nur den wenigsten bewusst ist. (Und der Zusatz „in the midst of the battle“ immer unterschlagen wird.)
Wie einst Milli Vanilli
„How the mighty have fallen“ sagt oder schreibt man zum Beispiel, wenn einst gefeierte und als unantastbar geltende Stars sich durch einen Skandal den Zorn ihrer Fans zuziehen und vom Sockel stürzen. Etwa das Münchner Disco-Duo Milli Vanilli. Im Jahre 1990, als Deutschland unter Beckenbauer Weltmeister wurde, gewannen die beiden einen Grammy, doch bald stellte sich heraus, dass sie überhaupt nicht singen konnten und auf ihren Platten jemand anders zu hören war. Man nahm ihnen den Grammy wieder weg und ihre Plattenfirma warf sie raus.
Nun hat Beckenbauer nach allem, was wir wissen, seine Platten selbst eingesungen. Aber auch für ihn gilt: „Wie sind die Helden so gefallen!“ Noch vor wenigen Jahren schien Beckenbauers alter Spitzname „Kaiser“ der Größe seiner Verdienste um Deutschland und den deutschen Fußball nicht mehr angemessen genug und wurde durch „Lichtgestalt“ ersetzt. Vor einigen Jahren benutzte der Journalist Jürgen Dahlkamp auf „Spiegel Online“ dann ganz andere zusammengefügte Hauptwörter: „Beckenbauer war ein Schönmaler, ein Schlawiner, ein Scheinheiliger, zumindest jenseits des Rasens.“
Nicht nur Charme und Charisma
Beckenbauer fällt schon eine ganze Weile. Spätestens seit dem Sommer 2014, als die FIFA ihn sperrte, weil er einige Fragen der Ethikkommission nicht beantworten wollte. Nun, so scheint es, ist er gelandet, und zwar auf dem Boden der Realität. Schon seit einiger Zeit wissen wir, dass Beckenbauer die WM 2006 nicht allein durch seinen Charme und sein Charisma nach Deutschland geholt hat. Wir wissen auch, dass sein Engagement – anders als lange behauptet – nicht uneigennützig war. Laut Recherchen von „Spiegel Online“, die der Deutsche Fußball-Bund 2015 bestätigte, bekam Beckenbauer 5,5 Millionen Euro vom DFB für seine vorgeblich ehrenamtlichen Dienste.
Das allein ist noch nicht rufschädigend, doch muss man davon ausgehen, dass Beckenbauer – trotz einer gegenteiligen Erklärung seiner Anwälte – diese Einnahmen nicht versteuern wollte. Bei „Spiegel Online“ heißt es dazu: „Erst als das Finanzamt Frankfurt bei einer Steuerprüfung im DFB auf den Vorgang stieß, zahlte der Verband im Dezember 2010 ›1.160.500 Euro an Abzugsteuer‹. Im März 2011 habe Beckenbauer, so der DFB, das Geld erstattet.“ Was ja nichts anderes bedeutet, als dass der DFB Beckenbauers Steuerschuld vorstreckte und sich dann von ihm zurückholte.