Der verlorene Sohn Carlos Tevez ist zurück bei seiner großen Liebe Boca Juniors. Sein pompöser Empfang gleicht einem Erlösungsritual. Für ihn und seine Fans.
Diego Maradona liebt Inszenierungen. Sie gehören zu seinem Leben wie der Asado-Grill, Cerveca aus Einliter-Pullen und die pappsüßen Dulce de Leche zu seiner Heimat Argentinien. Sie gehören ebenso zu seinem Herzensverein, den Boca Juniors. Und sie gehören zu Carlos Tevez, dem verlorenen Sohn Bocas, der gestern nach über einem Jahrzehnt im Ausland nach Hause zurückgekehrt ist.
„Gracias Carlitos por volver“, prangte in blauen Lettern auf einem gelbem Transparent in den fleischigen Händen Maradonas. Danke Carlitos, dass Du zurück bist. Handgeschrieben. Nicht unwahrscheinlich, dass „El Dios“ diese Worte persönlich auf das Leinentuch gekritzelt hatte. Jedenfalls ließ Maradona es aus seiner Loge in die „Bombonera“ fallen wie ein spätrömischer Kaiser, der seinen wichtigsten Gladiator im Kolosseum zurückempfängt. Glücklich, dass dieser die langen Reisen, die Grabenkämpfe und Niederträchtigkeiten in der Fremde ohne Speer in der Brust überstanden hatte. Darunter stand: „Gezeichnet: Familie Maradona.“
49.000 Brüder und Schwestern im Bombonera
Diese Familie stand stellvertretend für die Boca-Familie, als die sich die Fans in all ihrem Pathos verstehen. 49.000 Fans waren in die „Bombonera“, das gemeinsame Wohnzimmer, gekommen, um Tevez zu begrüßen.
„El Apache“ ist sportlich durchaus aufgefallen in seinen Jahren auf dem alten Kontinent. Doch er hat ebenso angeeckt bei West Ham United und in Manchester, wo er für beide Lokalrivalen auflief. Und natürlich in Turin. Immer eigenwillig, dickköpfig, stets mit mehr Herz als Verstand spielend. So wie es die Boca-Fans lieben. Er, der im rauen Hauptstadtvorort Ejército de Los Andes aufgewachsen ist, ist einer von ihnen. Seit er es geschafft hat, sich aus ärmsten Verhältnissen nach oben zu spielen, hilft er in seiner Heimat, wo er kann: So teilte er den Fans vor seiner Begrüßung mit, sie sollten alle etwas zu Essen mitbringen. Er würde die Lebensmittel danach in den ärmeren Bezirken von Buenos Aires verteilen lassen. So werden Legenden geboren.
Während seiner Zeit in Europa hatte er immer betont, irgendwann zurückkehren zu wollen. Nach La Boca, in das Hafenviertel, in die vertrauten Gassen rund um die „Bombonera“ mit ihren bunten Hauswänden, von denen die Farbe langsam abblättert. Hier hat für Tevez 1997 alles begonnen. Damals war er 13, über alle Maße talentiert und auch ein bisschen wütend auf das Leben.
In diesem Sommer hatte Tevez sogar ein Angebot eines anderen Argentiniers, von „Cholo“ Simeone, auf dem Tisch liegen, der einen ähnlich verwegenen Gesichtsausdruck wie „El Apache“ kultiviert hat. Die beiden vereint bei Atletico Madrid hätten sicher in der kommenden Champions-League-Saison eine gewichtige Rolle gespielt.
Berührungen, die einer Salbung gleichkommen
Aber Carlitos Heimweh war größer: „Ich wollte wieder nach Hause“, hauchte er bei der ersten Pressekonferenz in die Mikrofone. So einfach ist das. Und so stand er wieder in seinem Stadion. Die Halsschlagader pulsierte stolz unter den Narben, die er als Kind bei einem Unfall mit siedend heißem Wasser davongetragen hatte. Er lief winkend seine Ehrenrunde, küsste den Rasen, umarmte einen Fan, der es irgendwie auf den Rasen geschafft hat, wohlwissend, dass diese Berührungen für den Fan einer Salbung gleichkommen müssen. Und sprach Sätze, die den Boca-Fans das Herz öffneten:
„Boca ist einzigartig, kein Außensteher kann das Gefühl von Boca verstehen.“
Und: „So lange ich da bin, werden wir immer gegen River gewinnen.“
Als der Moderator ihn schließlich auf die Offerten anderer europäischer Klubs ansprach, kratzte er sich kurz am Kinn und sagte nur: „Mit Geld kann man das Glück nicht kaufen.“ Er wusste, dass im nächsten Moment das Stadion beben würde. Und er sollte Recht behalten.
Selbst Diego Maradona erhob sich schließlich in seiner Loge ob dieser gelungenen Inszenierung des Apachen. Und am Samstag wird er wieder dort sitzen und zusehen, wie sein Carlitos sein erstes Spiel gegen Quilmes AC bestreitet.
Eine der Logen neben ihm ist bereits seit langem reserviert. Von dort aus wird dann in paar Jahren eine weitere Klub-Legende die verdienten Boca-Spieler der Zukunft empfangen. Vielleicht wird auch er ein Banner malen. Mit dem Stift auf Leinen kritzeln. Es ist Carlos Tevez höchstselbst.