Dass Deutschland heute zum Gastgeber einer Uefa-Großveranstaltung werden könnte, hinterlässt Bauchweh. Dabei gibt es eine Möglichkeit, wie die EM zu retten wäre.
Als ich im Juni 2005 in Hannover auf den Abend und den Beginn des Confed-Cup-Halbfinals wartete, gingen wir auch in das Neue Rathaus. Ein pompöser Bau in der niedersächsischen Landeshauptstadt. Und eben als wir die Treppen am Eingang hochstapften, hielt hinter uns eine schwarze Limousine. Die schwere Tür öffnete sich und allen ernstes Fifa-Präsident Sepp Blatter stieg von der Rückbank aus, um sich anschließend ins Goldene Buch der Stadt einzutragen. Jener Blatter, der zehn Jahre später wegen der Verdachts der Untreue von der Ethikkomission gesperrt werden würde und für viele Fußballfans weiterhin als das böse Gesicht des modernen Fußballs gilt.
Wer ist Sepp Blatter?
Ich aber, einem 13-jährigen Jungen mag man das nachsehen, sah ihn nur mit großen Augen an und dachte: „Hui, ein Prominenter.“ Ich interessierte mich für das Spiel, den Fußball, für all das Großartige, das er mit uns macht. Für das Kribbeln im Bauch, wenn man ein Stadion oder auch nur den heimischen Dorfplatz betritt. Ich war ein Kind. Ich war Fußballfan.
Es wird in sechs Jahren nicht möglich sein, die Umstände des Turniers auszublenden, warum auch? Wenn der Uefa-Zirkus in die Städte käme, müssten Zirkusdirektoren, Clowns und ihren miesen Tricks schon beim Namen genannt werden. Das ungute Gefühl, das einen beim Gedanken an Verbände, Hinterzimmern und Klüngeleien beschäftigt, wird einen auch bei dieser EM beschleichen. Aber in sechs Jahren bestünde auch die Sicherheit, dass das Turnier in keinem Unrechtsstaat veranstaltet wird, dass keine Menschen für Stadienneubauten und andere Luftschlösser sterben mussten, dass kein Despot der heimliche Gewinner dieses Turniers werden würde. Und welche Alternativen bestünden noch, wenn sich endgültig alle Länder, die über Demokratie und die nötige Infrastruktur verfügen, von Fußball-Großereignissen verabschieden würden?
Wie die EM auch aussehen könnte
Diese Europameisterschaft 2024 in Deutschland, sie könnte höchstkritisch von den heimischen Medien begleitet werden. Sie könnte aber auch dafür sorgen, dass sich mitten in Deutschland sturzbetrunkene Iren und Spanier in die Arme fallen (und dabei keinen Junggesellenabschied feiern). Dass Menschen aus der Haustür treten, und sehen, was Verbände mit dem Fußball vorhaben. Die Europameisterschaft könnte dafür Sorge tragen, dass in Zeiten einer gefährdeten Europäischen Union ungehindert tausende Rumänen ins Land kämen – und Willkommen wären. Die EM könnte das sein, was die Menschen daraus machen.
Die Europameisterschaft 2024 in Deutschland könnte dafür sorgen, dass Kinder unter Weihnachtsbäumen mit glänzenden Augen Tickets in den Händen hielten. Und am Spieltag trotzdem ganz genau wissen, wer dieser korrupte Uefa-Funktionär ist, der da aus seiner blickdichten Limousine steigt.