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Im DFB-Pokal-Vier­tel­fi­nale zwi­schen Union Berlin und dem FC St. Pauli läuft die 65. Spiel­mi­nute, als der an diesem Abend glück­lose Taiwo Awo­niyi seine Rücken­nummer 14 in Form roter LEDs auf der elek­tro­ni­schen Aus­wech­sel­tafel erblickt. Gewohnt freund­lich ver­ab­schiedet das Publikum im Sta­dion an der Alten Förs­terei den teu­ersten Ein­kauf der Ver­eins­ge­schichte mit den cho­reo­gra­fierten Fußballgott“-Rufen in den Fei­er­abend. Jedoch ist eine latente Unzu­frie­den­heit über den bis­he­rigen Ver­lauf des Abends spürbar. Es steht 1:1, zunächst hatten die Eisernen gegen den Zweit­li­gisten sogar zurück­ge­legen.

Der Gemüts­zu­stand der 9.000 zuge­las­senen Union-Fans ver­bes­sert sich jedoch merk­lich, als im Gegenzug Andreas Vogl­sammer den Rasen betritt – mit vor Energie strot­zenden Schritten. Der 30-jäh­rige Angreifer soll dem bisher ideen­losen Spiel der Köpe­ni­cker die drin­gend benö­tigte Durch­schlags­kraft im letzten Angriffs­drittel bringen. Den Beweis, dass diese Hoff­nung gut begründet ist, erbringt Vogl­sammer keine fünf Minuten später. Nach geschickter Kopf­ball­ab­lage von Gri­scha Prömel, behauptet sich der Stürmer im 5‑Meter Raum ohne Pro­bleme gegen die 15 (!) Zen­ti­meter grö­ßere Abwehr­kante Jakov Medic und kommt nach inten­sivem Arm­ein­satz des Ver­tei­di­gers zu Fall. Auch wenn Schieds­richter Flo­rian Bad­stübner den Eisernen in dieser Situa­tion den Elf­me­ter­pfiff ver­wehrt, läutet diese Aktion die wohl beste Phase der Köpe­ni­cker an diesem Pokal­a­bend ein.

Dass Urs Fischer mit der Ein­wechs­lung von Andreas Vogl­sammer sowohl auf dem Platz als auch auf den Rängen für einen der­ar­tigen Stim­mungs­um­schwung sorgt, hätte man nach der Hin­runde der aktu­ellen Saison eigent­lich kaum erwartet.

Wenig Spiel­zeit, wenig Argu­mente

Trotz Auf­hol­jagd und Klas­sen­er­halt lehnte Vogl­sammer im ver­gangen Juni nach fünf erfolg­rei­chen Jahren bei Arminia Bie­le­feld ein Ver­trags­an­gebot ab und wech­selte ablö­se­frei nach Berlin-Köpe­nick. Dort fand die Leihe von Taiwo Awo­niyi zunächst keine Fort­set­zung, sodass auf der zweiten Stürm­er­po­si­tion neben Max Kruse im 5−3−2 System von Urs Fischer eine Vakanz ent­stand. Mit She­raldo Becker und dem von Sand­hausen los­ge­eisten Kevin Beh­rens deu­tete wäh­rend der Som­mer­vor­be­rei­tung alles auf einen Drei­kampf um den Stamm­platz im Angriff hin. Der über­ra­schende Kauf von Awo­niyi ent­schied dieses Triell jed­doch vor dem Bun­des­li­ga­auf­takt gegen Lever­kusen zugunsten des lachenden Vierten.

Für Vogl­sammer, der mit seiner Lauf­stärke und kampf­be­tonten Spiel­weise sowohl auf dem Flügel als auch im Zen­trum ein­setzbar ist, blieb wäh­rend der Hin­runde der lau­fenden Bun­des­li­ga­spiel­zeit bis auf einen Star­t­el­fein­satz gegen seinen Ex-Verein Bie­le­feld nur die undank­bare Rolle des Ein­wech­sel­spie­lers. In 278 von mög­li­chen 1530 Ein­satz­mi­nuten, gelangen dem abschluss­starken Rechtsfuß ledig­lich zwei Scor­er­punkte (ein Tor, eine Vor­lage).

Auch in den Pokal­wett­be­werben ver­lief der Start schlep­pend. Wäh­rend der ent­täu­schend ver­lau­fenden Grup­pen­phase der Con­fe­rence League stand Vogl­sammer ledig­lich am zweiten Spieltag gegen Mac­cabi Haifa in der Startelf, was der ehe­ma­lige U18-Natio­nal­spieler mit dem 1:0‑Führungstreffer recht­fer­tigte. In den fol­genden vier Spielen reichte es den­noch nur für vier Kurz­ein­sätze nach Ein­wechs­lung. Und auch die ersten beiden Runden des DFB-Pokals gegen Türk­cücü Mün­chen und Mann­heim liefen für Vogl­sammer nicht optimal. Zwar stand er in beiden Begeg­nungen in der Startelf, hin­ter­ließ jedoch bis auf den Assist zum wich­tigen Aus­gleichstor gegen den Waldhof keinen blei­benden Ein­druck.

Ein Traumtor als Wen­de­punkt

Nach der kurzen Win­ter­pause und begüns­tigt durch die Abwe­sen­heit von Taiwo Awo­niyi, der mit Nigeria beim Afrika Cup weilte, erhielt Vogl­sammer am 18. Spieltag gegen die TSG Hof­fen­heim den Vorzug vor Kevin Beh­rens und erzielte seinen zweiten Bun­des­li­ga­treffer. Und nur vier Tage später sollte der Knoten end­gültig platzen. Im Ach­tel­fi­nale des DFB-Pokals gegen den kri­selnden Stadt­ri­valen Hertha BSC zeigte Vogl­sammer seine bis zu diesem Zeit­punkt beste Sai­son­leis­tung und krönte einen gran­diosen Auf­tritt mit einer spek­ta­ku­lären Direkt­ab­nahme, die in der Sport­schau zum Tor des Monats Januar“ gekürt wurde.

Seit diesem Janu­ar­abend im Ber­liner Olym­pia­sta­dion ver­bucht das Minu­ten­konto Vogl­sam­mers auch in der Bun­des­liga stark anwach­sende Ein­satz­zeiten. Das hängt sicher­lich auch mit dem spek­ta­ku­lären Abgang von Max Kruse und den nach der hohen Belas­tungen des Afrika Cups schwan­kenden Leis­tungen Taiwo Awo­niyis zusammen. Viel ent­schei­dender für Vogel­sam­mers wach­sende Bedeu­tung im Spiel von Union Berlin ist aber seine stark anstei­gende Form­kurve, die auch der FC St. Pauli ein­drucks­voll erleben musste.

Vom Fehl­ein­kauf zum Glück­griff?

Nur fünf Minuten nach der strit­tigen Elf­me­ter­si­tua­tion schlägt die Unioner Hin­ter­mann­schaft erneut einen der zahl­rei­chen langen Bälle, die den ersatz­ge­schwächten Kiez­ki­ckern bis auf eine Slap­stick-Ein­lage von Keeper Smarsch vor dem Aus­gleichs­treffer durch She­raldo Becker im bis­he­rigen Ver­lauf des Spiels keine Pro­bleme berei­teten. Im Gegen­satz zu seinem glück­losen Vor­gänger Awo­niyi setzt Vogl­sammer dem bereits ver­loren geglaubten Ball jedoch ener­gisch nach, behält in der Neu­auf­lage des Duells mit Ver­tei­diger Medic die Ober­hand und stößt mit einem über­legten Rechts­schuss das Tor zum Halb­fi­nale ent­schei­dend auf.

Mit diesem beein­dru­ckenden Auf­tritt gegen den FC St. Pauli ver­dichten sich die Anzei­chen, dass die Anlauf­schwie­rig­keiten von Andreas Vogl­sammer end­gültig über­wunden sind und Sport­chef Oliver Ruh­nert erneut ein richtig guter Griff gelungen ist. Und auch der noch zu ermit­telnde Gegner im Pokal-Halb­fi­nale dürfte ein beson­deres Augen­merk auf den Akti­ons­ra­dius von Vogl­sammer legen.