Spanien spricht über Frauenfußball: Auf sexistische Angriffe gegen Real-Torhüterin Misa folgt eine Welle der Solidarität, angeführt von Marco Asensio und Sergio Ramos. Gleichzeitig sorgt das Buch einer bekannten Sportjournalistin für Aufsehen – unter anderem wegen schwerer Vorwürfe gegen den langjährigen Nationaltrainer.
Auch im Klubfußball tut sich einiges. Ab der Spielzeit 2021/22 wird die erste spanische Liga erstmals offiziell den Status einer Profiliga innehaben. Mussten die Spielerinnen früher ins Ausland wechseln, um von ihrem Sport leben zu können, schreitet die Professionalisierung nun voran – auch dank der Initiative der Fußballerinnen selbst. Im November 2019 rief die Spielerinnengewerkschaft AFE nach langen erfolglosen Verhandlungen um ein Mindestgehalt zum Streik auf. Ein kompletter Ligaspieltag wurde abgesagt. Man einigte sich schließlich auf einen Tarifvertrag mit einem Mindestgehalt von 16.000 Euro jährlich.
Noch wichtiger als das Geld waren jedoch arbeitsrechtliche Konsequenzen. Zuvor waren Spielerinnen, deren Vertrag endete, bei längeren Verletzungen oft auf sich alleine gestellt. Auch wenn sie schwanger wurden, standen die Spielerinnen oft ohne Vertrag da. Laut Ana Romero, Sportdirektorin von Real Betis Sevilla, gab es Verträge, in denen Schwangerschaften explizit verboten waren. Inzwischen ist geregelt, dass die Spielerinnen im Fall einer Schwangerschaft Anspruch auf ein weiteres Vertragsjahr zu den gleichen Konditionen haben. Die gleiche Regel gilt bei längeren verletzungsbedingten Ausfällen.
Vor allem Atlético Madrid und der FC Barcelona stellten in den vergangenen Jahren auch international konkurrenzfähige Teams. Mit dem FC Barcelona erreichte 2019 erstmals eine spanische Mannschaft das Champions-League-Finale, auch in der aktuellen Saison steht Barcelona im CL-Halbfinale. Lange Zeit keine Veranlassung zur Gründung einer Frauenmannschaft sah dagegen Real Madrid. Nachdem Real-Mitglied Ana Rossell Granados, selbst ehemalige Fußballerin, lange vergeblich um die Gründung einer Frauenfußballabteilung gekämpft hatte, gründete sie 2014 den Frauenfußballklub C.D. Tacón, strebte aber weiter eine Fusion mit Real an.
Erst 2020 übernahm Real schließlich die Mannschaft und nahm einige talentierte Spielerinnen unter Vertrag – darunter auch Torhüterin Misa. Entscheidend an der Fusion beteiligt war auch Tacóns Vizepräsident René Ramos, Bruder und Berater von Sergio Ramos. Für Jennifer Hermoso, Angreiferin beim Rivalen Barcelona, ist der Einstieg Reals ein wichtiger Schritt: „Das ist sehr positiv, denn es wird die Sichtbarkeit deutlich erhöhen und deutlich mehr Leute werden den Frauenfußball verfolgen.“
Boronat fordert, dass die Professionalisierung des Frauenfußballs weiter voranschreitet und Vereine wie Real sich trauen, dafür Geld in die Hand zu nehmen. Zudem fordert sie eine andere Medienpolitik als bei den Männern, denn im Gegensatz zu Reals Männer-Team müsse man die Mannschaft nicht vor den Medien abschirmen, sondern auf sie zugehen. Sie kritisiert außerdem, dass es europaweit immer noch zu wenige Vereine mit der Förderung des Frauenfußballs wirklich ernst meinen. Unter anderem schlägt sie vor, in Zukunft die Existenz einer Frauenmannschaft als Voraussetzung zur Teilnahme an der Champions League der Männer zu machen. Um die mediale Aufmerksamkeit zu erhöhen, hält sie es für wichtig, dass auch prominente Fußballer mit Strahlkraft wie Lionel Messi Interesse für den Frauenfußball zeigen – und Solidarität wie im Fall Misa.
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