Entlassungen, Suspendierungen, Vertragsauflösung: Am Dienstag ging es beim FC Schalke 04 drunter und drüber. Die Ereignisse sind jedoch nur Symptome. Sie zeigen: Der Klub ist auf vielen Ebenen kaputt.
Glückauf. Wer als Angestellter des FC Schalke 04 Basisnähe demonstrieren will, kommt nicht umhin, zumindest hier und da den traditionellen Gruß der Bergleute fallen zu lassen. Glückauf. Der Gruß beschreibt den Wunsch der Bergleute, nach der Schicht im früher gefährlichen Schacht wieder gesund ans Tageslicht zu gelangen. Er steht aber auch für die Hoffnung, eine Ader mit Erz oder Kohle aufzutun, also bei der Arbeit unter Tage überhaupt Erträge einzufahren.
Beim FC Schalke 04 im Jahr 2020 wirkt das Glückauf in diesen Tagen trotz der engen Verbindungen des Vereins zum Bergbau deplatziert. Es gibt kaum Anlässe zur Hoffnung. Weder auf ertragreiche Arbeit, noch auf eine gesunde Rückkehr ans Tageslicht.
Deutlich wurde das am Dienstag, als der Verein sich bei gleich fünf Personalien im sportlichen Bereich zum Handeln gezwungen sah. Da war zunächst die Richtigstellung des Klubs, dass Benjamin Stambouli entgegen eines anderslautenden Bild-Berichts das Stadion nach seiner Auswechslung zur Halbzeit im Spiel gegen Wolfsburg nicht verlassen habe. „Das Thema wurde viel größer gemacht, als es ist“, ließ sich Sportvorstand Jochen Schneider zitieren. Nur um in der gleichen Mitteilung „Zeugenaussagen und Videoaufnahmen der Überwachungskameras“ zu Stamboulis Entlastung heranzuziehen. Schon dieser Widerspruch zeigt die Hypernervosität, die dieser Tage noch mehr als sonst das Schalker Handeln zu bestimmen scheint. Souveränität sieht anders aus.
Die nächste Personalie, zu der sich der Klub öffentlich äußerte, war Michael Reschke. Seit Mai 2019 hatte der den neu geschaffenen Posten des technischen Direktors inne und sollte sich in dieser Funktion vornehmlich um die Kaderplanung kümmern. Nur anderthalb Jahre später muss er nun seinen Hut nehmen. „Einvernehmlich“, wie es hieß und bedingt durch eine „unterschiedliche Auffassung über die sportliche Zukunft des Vereins“. Unter anderem unterschieden sich die Auffassungen wohl hinsichtlich Schalkes ehemaligem Trainer David Wagner, von dem sich Reschke gerne schon früher getrennt hätte als Schneider. Zudem gab es zuletzt Berichte über ein Kompetenzgerangel bei einem möglichen Transfer von Kapitän Omar Mascarell zu Hertha BSC. Doch auch Reschkes Bilanz in seiner Hauptaufgabe, der Kaderplanung, dürfte ein Grund für seine Entlassung sein. Denn welchen Plan auch immer er bei der Zusammenstellung des Kaders verfolgt hat: Bislang ist er nicht aufgegangen.
Dies führt unweigerlich zu den Personalien drei bis fünf, hinsichtlich derer sich der Verein am frühen Abend äußerte. Amine Harit und Nabil Bentaleb trainieren bis auf Weiteres individuell, erhalten also eine Art Denkzettel. Harit, weil er sich nach seiner Auswechslung nach 38 Minuten gegen Wolfsburg respektlos verhielt. Bentaleb, weil er offenbar immer wieder eine professionelle Einstellung vermissen lässt. Seit seinem Wechsel nach Gelsenkirchen ist es bereits das fünfte Mal, dass ein Trainer den Algerier vorübergehend suspendiert. Auch Jochen Schneider stellte nun nach immerhin anderthalb Jahren im Amt fest, „dass Schalke und Nabil Bentaleb offensichtlich nicht zusammenpassen.“ Bentaleb soll den Verein deshalb nun spätestens mit Ablauf seines Vertrags im nächsten Sommer verlassen. Denkbar, dass das Arbeitsverhältnis sogar aufgelöst wird, sollte sich ein interessierter Verein finden. So würde sich der Klub zumindest ein halbes Jahresgehalt des Top-Verdieners (geschätzte 5 Millionen Euro im Jahr) im Kader sparen.
Bei Vedad Ibisevic, Personalie Nummer fünf, ist das bereits der Fall. Der Vertrag zwischen dem Bosnier und den Schalkern wird zum Jahresende aufgelöst. Der Fall Ibisevic ist besonders bemerkenswert. Schließlich wirkte es noch bei dessen Vorstellung auf Schalke so, als könnte der Verein mit seiner Verpflichtung eigentlich nichts falsch machen. Von einer „Bereicherung für den Kader“ schwärmte Jochen Schneider damals. „Ein erfahrener, torgefährlicher Offensiv-Spieler“, der in den Gesprächen vor allem „mit seiner Einstellung überzeugt“ habe. Und das beste: Ibisevic würde quasi für umsonst spielen, lediglich ein versicherungsbedingtes Mini-Gehalt wurde fällig. Nun, nur zweieinhalb Monate später, zeigt sich: Der FC Schalke 04 hat es geschafft, sogar eine Verpflichtung, mit der man eigentlich nichts falsch machen konnte, zu verbocken. Bezeichnend, dass nicht einmal die Auseinandersetzung mit Co-Trainer Naldo am vergangenen Sonntag ausschlaggebend für das Ende der Zusammenarbeit war, sondern „andere Erwartungen an sein Engagement bei Schalke 04“. So viel zu den tollen Gesprächen vor der Vertragsunterschrift.