Nach vier Jahren Amtszeit geht es Fifa-Präsident Gianni Infantino an den Kragen. Vielleicht. Denn die Schweizer Bundesanwaltschaft hat am Donnerstag offiziell ein Strafverfahren eingeleitet.
Schon in Zeiten von Sepp Blatter war Kumpelei bei der Fifa gängige Praxis. 2015 wurde Blatter von der Ethikkommission der Fifa für acht Jahre gesperrt, später wurde die Strafe auf sechs Jahre reduziert. Blatter und Michel Platini mussten sich wegen dubioser Millionenzahlungen verantworten. Jetzt könnte es auch Blatters Nachfolger an den Kragen gehen. Die Staatsanwaltschaft in der Schweiz hat ein Strafverfahren gegen Gianni Infantino eröffnet.
Bei den Ermittlungen geht es um mindestens zwei geheime Treffen mit dem Chef der Schweizer Bundesanwaltschaft Michael Lauber. Ein drittes bestreiten die Beteiligten bis heute. Die Zusammenkünfte sollen in den Jahren 2016 und 2017 stattgefunden haben, als die Schweizer Bundesanwaltschaft gegen die Fifa wegen Korruption im Zuge der Vergabe der WM 2018 und 2022 ermittelte.
Noch im Juni dementierte der Weltverband sämtliche Vorwürfe gegen seinen Präsidenten. Dessen Kumpel Lauber ging sogar mit einer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht dagegen vor. Eine erste Konsequenz hat er dennoch daraus gezogen: Am Mittwoch reichte der Bundesanwalt seinen Rücktritt für Januar 2021 ein. Aufgrund von Urlaubsansprüchen verlässt er seinen Posten allerdings schon im August.
Diese fünf Monate sind wichtig, weil Lauber als Bundesbeamter Immunität genießt. Die Aufhebung dieser Immunität hat der einberufene außerordentliche Staatsanwalt Stefan Keller beantragt, er habe Anzeichen für Amtsmissbrauch, Verletzung des Amtsgeheimnisses, Begünstigung und Anstiftung zu diesen Tatbeständen gefunden.
Schon im April war an dieser Stelle Infantino und Lauber nach der Verjährung des Sommermärchen-Prozesses ein „Stockholm-Syndrom-artiges Verhältnis“. Einem Phänomen, bei dem das Opfer einer Geiselnahme ein positives Verhältnis zu seinen Entführer aufbaut. Denn eigentlich sollte Lauber die Korruption in der Fifa bekämpfen und damit quasi der direkte Gegenspieler von Infantino sein. Stattdessen arbeiteten beide in die selbe Richtung. Das legt zumindest das eingeleitete Strafverfahren gegen den Fifa-Boss nahe. Denn von den inoffiziellen Treffen der beiden gibt es weder Gesprächsprotokolle noch Aktennotizen, was die Statuten in einem Verfahren wie dem gegen die Fifa allerdings vorschreiben.
Die Treffen sollen von Infantino angeregt worden sein. Er wollte, so der Vorwurf, die Schweizer Justiz infiltrieren, um seinen eigenen Namen reinzuwaschen. Begonnen habe diese Annäherung, nachdem Lauber die Rolle Infantinos als damaliger Uefa-Generalsekretär bei der Formulierung eines Fernsehvertrags mit südamerikanischen Rechtshändlern untersuchen sollte.
Infantino hingegen erklärte in einer Fifa-Mitteilung, die Treffen hätten nur zur Aufklärung beitragen sollen. „Zum damaligen Zeitpunkt waren über zwanzig Verfahren gegen ehemalige Fifa-Mitglieder anhängig. Dieser wesentlichen Aufklärungspflicht auch im Sinne der Fifa bin ich nachgekommen und werde dies auch weiter tun.“
Während das Verfahren gegen Lauber wegen der Amtsimmunität bis mindestens Januar verschoben werden muss, hat sich der neu eingesetzte Sonderermittler Keller prompt auf Infantino gestürzt. Öffentliche Unterstützung bekommt er von Infantino-Vorgänger Blatter: „Der Fall ist klar. Jetzt muss auch die Fifa-Ethikkommnssion ein Verfahren gegen Gianni Infantino einleiten und ihn suspendieren“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. 2015 wurde Blatter für 90 Tage gesperrt, als ein Strafverfahren gegen ihn eröffnet wurde. Der Ethik-Code der Fifa sieht schon bei Verdachtsmomenten Sanktionen vor.
Zuspruch bekommt Infantino allerdings aus Deutschland. Bayerns Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge kenne den Schweizer schon lange und hält ihn auch nach Eröffnung des Strafverfahrens „eigentlich“ für einen guten Präsidenten. Infantino sei „eigentlich ein Freund des Fußballs und dem Fußball auch sehr positiv zugetan. Und ich hoffe, dass er die Dinge geregelt kriegt, weil eigentlich wäre er der richtige Mann, um die Fifa dann hoffentlich auch wieder in ruhiges Fahrwasser zu bringen“, sagte Rummenigge im Interview mit BR24 Sport. Eigentlich.