Sorgenkind Ribéry brilliert wieder, Claudio Pizarro ist der Lebens-Gewinner und in Hamburg soll ein Geisterjäger das Abstiegsgespenst vertreiben. Who you gonna call? Unsere 11 des Spieltags
Joseph Kunert
(Für den folgenden Eintrag bitte mental die „Akte X“ ‑Musik summen. Danke.) Unser Mann des Spieltags ist ganz klar Joseph Kunert. Kunert ist zwar kein Fußballer, dafür aber ein metaphysischer Geistheiler, der den HSV mit seinen, nunja, Fähigkeiten vor dem Abstieg bewahren soll. Getreu dem Hamburger Saison-Motto: Wenn man eh schon absteigt, kann man sich ja wenigstens noch lächerlich machen, holte Trainer Mirko Slomka den Geistheiler ins Boot, warum er das tat, wissen wahrscheinlich nur er, der Geistheiler, und die anderen Eingeweihten wie etwa die Ghostbusters, Bibi Blocksberg, Casper der freundliche Geist, die Hexen von Eastwick, Mulder und Scully, der Boogeyman, Hui-Buh, Professor Dumbledore sowie das Gespenst von Canterville. Auch was genau ein metaphysischer Geistheiler macht, bleibt unklar, aber wir stellen ihn uns im Ghostbusters-Overall und ausgerüstet mit Wünschelrute durch die Kabine schleichend vor, an jedem Ohr einen Traumfänger und einen Supersoaker voller Weihwasser im Anschlag. Oder so. Was auch immer Kunert aber gemacht hat, es scheint auf jeden Fall funktioniert zu haben, denn in Augsburg zeigten sich die Hamburger von allen guten Geistern verlassen und unterlagen in einer gespenstischen Vorstellung mit 1:3. Gruselig.
Halil Altintop
Dass der HSV in Augsburg überhaupt so unter die Räder kam und nun vor dem Abstieg steht, lag auch an Halil Altintop. Ok, klar, in erster Linie an der nicht bundesligatauglichen Defensive, den Abständen zwischen den Mannschaftsteilen, die so groß sind, dass man sie als Bauland verkaufen könnte, ohne dass die Spieler das überhaupt merken würden, an der Offensive, die in etwa so viel Gefahr versprüht wie ein katholischer Knabenchor, an der Verunsicherung, die, im Gegensatz zum Nichtabstiegsplatz, praktisch greifbar ist und all den anderen Hamburger Baustellen, für die wir einen eigenen Artikel anlegen müssten, wollten wir sie alle aufzählen. Aber eben auch an Halil Altintop, der mit seinem frühen Doppelpack den Dino so schnell und erbarmungslos erlegte, dass Universal Pictures ihn nun für die Hauptrolle in „Jurassic Park 4“ casten will. Während man beim HSV so langsam darüber nachdenken sollte, den Dino als Maskottchen abzusetzen und ein neues zu finden. Der Zonk würde sich derzeit anbieten.
René Adler
Das dritte Augsburger Tor ging am Sonntag auf die Kappe von René Adler, der sich einen Fernschuss von André Hahn derart unglücklich ins eigene Netz patschte, dass irgendwo in Düsseldorf Pannen-Olli Reck auf der heimischen Couch die Augen verdrehte und nach der Fernbedienung langte, aber danebengriff. Bitter für Adler, denn eigentlich ist er ein wirklich starker Keeper, aber auch bezeichnend für eine Saison, in der sich die gesamte Hamburger Hintermannschaft überforderter präsentiert als Gina Lisa beim Philosophischen Quartett. Wir sagen: Kopf hoch, René.
Frank Ribéry
Die Berichterstattung der letzten Wochen hätte uns um ein Haar dazu veranlasst, für Bayerns Fußball spielenden Brummkreisel Franck Ribéry Genesungskarten zu basteln und mit der 11FREUNDE-Big-Band einen Charity Song aufzunehmen. Von einem großen Problem war da die Rede und dass man ihm helfen müsse, und wir als Menschenfreunde wollten dabei natürlich die ersten sein. Das Problem entpuppte sich dann allerdings rein als ein spielerisches: Bayerns Sahnefuß, der ansonsten ganze Paartanzturniere mit einem seiner Dribblings alleine gewinnen kann und über eine Ballannahme verfügt, mit der er schreiende Kleinkinder sanft in einen tiefen, erholsamen Schlaf wiegen könnte, zeigte sich auf dem Platz seit Wochen so lethargisch als hätte er seine Ernährung auf Baldrian- und Valiumbasierte Speisen umgestellt. Gegen Bremen nun war Ribéry aber schon wieder fast der Alte und tat das, was er am besten kann: Gegner düpieren. Wie etwa Werders Keeper Wolf, dem Ribéry den Ball in Zeitlupe und mit James-Bond-artiger Lässigkeit zum 1:1 durch die Hosenträger kickte. Chapeaux.
Claudio Pizarro
Claudio Pizarro ist wahrscheinlich der einzige Millionär auf der Welt, der als Beruf „’n bisschen kicken“ angeben kann. Gegen Bremen durfte Altersteilzeitler Pizarro mal wieder von Beginn an ran und traf gegen seinen Ex-Klub, na klar, gleich doppelt. Sein verweigerter Torjubel nach dem ersten Treffer war, wie unsere Recherchen ergeben haben, tatsächlich der einzige Moment im gesamten Spiel und wahrscheinlich überhaupt seit Jahren, in dem Pizarro nicht das strahlende Gewinnerlächeln des teilzeitarbeitenden, Triple-gewinnenden, spaßvogeligen Lebens-Siegers auf dem Gesicht trug. Andererseits: Wenn wir an seiner Stelle wären, würden wir unsere Mundwinkel wahrscheinlich nicht mal mehr mit dem Tacker nach unten bekommen.
John Anthony Brooks
Herthas John Anthony Brooks betrachten wir seit Samstag als Präzedenzfall. Als wir uns letztens nämlich die allumfassende, ewige Lebensweis- und wahrheit „True Love never die“ in Elbisch über den Steiß tätowieren lassen wollten, durften wir nicht, da wir sonst, so die Order von Oben, unsrem Schreibtischgebuckel nicht mehr effektiv würden nachgehen können. Brooks nun, der erst unter der Woche von Trainer Luhukay ob seines neuen Tattoos angemahnt wurde, schoss im Spiel gegen Braunschweig am Samstag das wichtige 1:0 und bewies so, dass man auch mit frisch getintetem Körperschmuck eine gute Arbeitsleistung abliefern kann. Also ab zum Tätowierer, Freunde, die Runde Arschgeweihe geht auf uns.
Marco Terrazzino
Üblicherweise trifft sich Marco Terrazzino samstags immer mit Franco Zucculini, Maicosuel, Manuel Gulde, Wellington, Knowledge Musona, Prince Tagoe, Denis Thomalla und Pascal Groß, um mit der Hoffenheimer Traditionself verheizter Talente weinend ein bisschen im Park zu kicken, fünf Jahre alte Bundesliga-Manager-Spiele zu spielen oder Ralf Ragnick-Voodoopuppen aus echter Kraichgauer Schurwolle zu knüpfen. Diesen Samstag hatte Terrazzino derweil keine Zeit, da er tatsächlich in der Bundesliga spielen und auch noch ein Tor schießen musste. Für Freiburg, zum 2:2 gegen Wolfsburg. Na geht doch.
Oliver Kirch
Dortmunds Oliver Kirch ist, ähnlich wie Claudio Pizarro, eine Art Vorbild für uns. Jahrelang irgendwie mittelmäßig, dann plötzlich bei einem Spitzenklub auf der Payroll und bester Mann im Champions League-Viertelfinale gegen Real Madrid – Kirch hat unsere noch nicht ganz erstorbenen Hoffnungen auf eine märchenhafte Spontan-Profikarriere zumindest noch eine weitere traurige kleine Weile am Leben erhalten. Gegen Leverkusen machte Kirch nun sein Bundesliga-Premierentor für den BVB, einen Freistoß von Marco Reus nickte er in der 29. Minute des Spiels zum 1:1 in die Maschen. „Ich habe bei Marcos Freistoß nur den Kopf hinhalten müssen“, so Kirch. Glauben wir sofort. Tatsächlich kommen die Standards von Marco Reus zurzeit derart gut, dass man sie als Empfänger wahrscheinlich nur höflich bitten muss, und schon gehen sie rein.
Roberto Hilbert
Marco Reus war es dann auch, der zum 2:2 einschoss, allerdings unter freundlicher Mithilfe von Leverkusens Roberto Hilbert, der in der 39 Minute einen Elfmeter verursachte. Es war bereits der sechste Strafstoß, den Hilbert in dieser Saison verschuldete – bei gerade mal 19 Spielen. Der 11FREUNDE-Mathe-LK hat extra eine Nachtschicht eingelegt und mal nachgerechnet: Hilbert verursacht quasi in jedem dritten Spiel einen Elfer, das ist eine wirklich unterwältigende Quote. Wahrscheinlich kann Hilbert nicht mal morgens zum Bäcker gehen, ohne einen arglosen Passanten zu Fall zu bringen und fast scheint es, als läge eine Art Elfmeter-Fluch über Hilbert. Da kann wahrscheinlich nur noch ein metaphysischer Geistheiler helfen.
Ivan Perisic
Das vielleicht schönste Tor des Spieltags schoss Wolfsburgs Ivan Perisic, der einen Freistoß aus dem Halbfeld aus knapp sechzehn Metern in den Winkel schädelte. Mit dem Rücken zum Tor wohlgemerkt und mit einer Drehung des Kopfes, bei der Mann kurz Angst haben musste, dass sich Perisic die Nackenwirbelsäule aus der Verankerung hebelt. Was er allerdings nicht tat und was uns Bewegungs-Legastheniker mit der Beweglichkeit eines Sitzsackes mit der Frage hinterlässt: Wie zum Geier hat Perisic das gemacht? Ob die Antwort auf diese Frage vielleicht ein metaphysischer Geisthei… ach, lassen wir das.
Lucien Favre
Dass Lucien Favre ein friedfertiger Mensch ist, hatten wir geahnt. Sein zurückhaltendes, höfliches Wesen und die Tatsache, dass sich in seinem weichen französischen Akzent wahrscheinlich selbst eine wütende Hasstirade wie ein liebevoller Heiratsantrag anhören würde, sorgen für eine Aura der Sanftmut, die den Schweizer stets umgibt. Im Spiel gegen Schalke nun sorgte Favres Elf für einen Bundesliga-Rekord, als sie die komplette erste Hälfte kein einziges Mal Foul spielte. Und während sich einige der Blutgrätschen-oholiker in der Redaktion vor Wut über die fehlende Härte im Spiel gegenseitig bewusstlos grätschten, entführten die Gladbacher mit wehender weißer Fahne drei Punkte aus Schalke, legten im Mannschaftsbus schunkelnd Nicoles „Ein bisschen Frieden“ auf und malten sich gegenseitig Peace-Zeichen in die Poesiealben. Vielleicht aber auch nicht.