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Am Don­nerstag bekamen einige der toten Arbeits­mi­granten von Katar ein für die Öffent­lich­keit sicht­bares Gesicht. Das schwe­di­sche Magazin Blank­spot ver­öf­fent­lichte zusammen mit 11FREUNDE die Cards of Qatar“. Das Pro­jekt bildet viele der Men­schen ab, die bei den Arbeiten rund um die anste­hende Fuß­ball-WM ihr Leben ließen. Es erzählt in kurzen Texten das Ende ihrer per­sön­li­chen Geschichten. Zum Bei­spiel die von Mohammed Pervez aus Ban­gla­desh, dessen Körper in einer Müll­tonne gefunden wurde. Oder die vom Inder Madhu Bol­la­pally, der an einem Herz­in­farkt ver­starb. Seine Familie hatte neun Monate lang nichts mehr von ihm gehört. Min­des­tens 6000 Arbeiter sollen auf den Bau­stellen bereits ihr Leben gelassen haben. Einige Beob­achter gehen gar von 15.000 aus.

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Denn die Bedin­gungen in Katar bleiben desas­trös. Für die Gast­ar­beiter und auch für Men­schen der LGBQTI-Com­mu­nity. Das geht nun aus den jüngsten Berichten einer Arbeits­gruppe der Uefa hervor, die sich mit den Ver­hält­nissen im Gast­ge­ber­land beschäf­tigt und zum dritten Mal in Katar war. Es tue sich zwar etwas, schreibt die Gruppe. Es gäbe Fort­schritte. Und doch lässt sich zwi­schen den Zeilen her­aus­lesen, dass wei­terhin über­haupt gar nichts auch nur annä­hernd gut ist.

Die Män­gel­liste bleibt ellen­lang

Nach eigenen Angaben führte die Gruppe in Katar Gespräche mit elf Insti­tu­tionen oder Ein­zel­per­sonen. Dar­unter das Kata­ri­sche Arbeits­un­ter­nehmen, der FIFA und Gast­ar­beiten aus unter­schied­li­chen Nationen. Die Arbeits­gruppe begrüße die signi­fi­kanten Fort­schritte, die zuletzt dank ver­schie­dener Geset­zes­än­de­rungen zu ver­zeichnen waren und sich in den jüngsten Berichten der Inter­na­tio­nalen Arbeits­or­ga­ni­sa­tion zu Katar wider­spie­geln“. So hätten seit der Ein­füh­rung neuer Arbeits­ge­setze im Jahr 2020 242.000 Arbeit­nehmer ihren Arbeits­platz wech­seln können. Im Jahr zuvor wären es weniger als 18.000 gewesen. Außerdem hätte das Gehalt von 280.000 Arbei­tern ange­hoben werden können – auf Min­dest­lohn, der bei den Arbei­tern bei nur 230 Euro monat­lich liegen soll.

So begrü­ßens­wert jede posi­tive Ent­wick­lung für die Men­schen vor Ort auch sein mag, so schnell wird klar, dass längst noch nicht alle Gast­ar­beiter von den mini­malen Ver­bes­se­rungen pro­fi­tieren. Die Arbeits­gruppe der Uefa schreibt, dass die Umset­zung noch lücken­haft“ sei. In Gesprä­chen mit den migran­ti­schen Arbei­tern sei schnell klar geworden, dass es noch erheb­li­chen Ver­bes­se­rungs­be­darf gäbe.

So bräuchten sie zusätz­liche juris­ti­sche Unter­stüt­zung, Schutz­ein­rich­tungen für aus­ge­beu­tete Arbeits­kräfte und auch Über­set­zungs­dienst­leis­tungen. Ohne Letz­tere würden viele der Men­schen die ent­spre­chenden For­mu­lare nicht aus­füllen, geschweige denn sich aus­rei­chend über ihre Rechte und Mög­lich­keit infor­mieren können. Aus per­sön­li­chen Berichten ging hervor, dass sowohl Arbeit­nehmer als auch Arbeit­geber noch inten­siver auf die neue Gesetz­ge­bung hin­ge­wiesen werden müssten“, schreibt die Arbeits­gruppe. Die Errich­tung eines Zen­trums für die Arbeiter sei eine dis­ku­tierte Idee, um die ent­spre­chenden Infor­ma­tionen stärker in den Umlauf zu bringen.

Ein ebenso düs­teres Bild ergibt sich aus den Berichten über die Dis­kus­sionen über Ent­schä­di­gungen, in Ver­let­zungs- oder Todes­fällen. Zwar berichten beim Pro­jekt Cards of Catar“ einige Witwen oder Fami­li­en­an­ge­hö­rige von ver­stor­benen Män­nern, dass sie finan­zi­elle Ent­schä­di­gungen erhalten hätten. Doch das gilt noch längst nicht für alle Hin­ter­blie­benen. Mit dem Vor­wurf kon­fron­tiert, dass in jedem ein­zelnen Fall Ent­schä­di­gungs­leis­tungen gezahlt müsse, erklärte die FIFA, dass sie der­zeit ver­schie­dene Ent­schä­di­gungs­ver­fahren prüfe“. Gegen­über teil­neh­menden NGOs sagte der Ver­band zu, ihnen inner­halb von drei Wochen eine Ant­wort zukommen zu lassen und die Uefa-Arbeits­gruppe auf dem Lau­fenden zu halten“. Der Welt­ver­band bleibt sich also treu und weiter unkon­kret. Weniger als ein halbes Jahr vor der WM kann er kein trans­pa­rentes und ver­läss­li­ches Abwick­lungs­ver­fahren der Ent­schä­di­gungen vor­weisen.

Der Arbeits­gruppe sei außerdem zuge­si­chert worden sein, dass Fans mit Regen­bo­gen­fahnen keine Repres­sa­lien drohten“. Zudem soll das Hotel­per­sonal dar­über infor­miert worden seien, dass alle Gäste dis­kri­mi­nie­rungs­frei zu behan­deln seien“. Es seien alle Men­schen will­kommen – solange die lokale Kultur und ihre Bräuche geachtet werden. Auf prak­ti­zierte Homo­se­xua­lität steht in Katar jedoch eine bis zu sie­ben­jäh­rige Gefäng­nis­strafe, sogar die Ver­hän­gung der Todes­strafe ist mög­lich.

Ein­che­cken nur für Heteros?

Erst im Mai hatten Recher­chen eines skan­di­na­vi­schen Inves­ti­gativ-Teams der TV-Sender SVT (Schweden), NRK (Nor­wegen) und DR (Däne­mark) gezeigt, wie schwierig es mit der Hotel­bu­chung für homo­se­xu­elle Paare in Katar werden dürfte. Das Team stellte Buchungs­an­fragen an ver­schie­dene Hotels und stellte sich dabei als schwules schwe­di­sches Paar“ vor. Es hagelte Absagen. Das Magnum Hotel & Suites Westbay“ teilte bei­spiels­weise mit: Nein, wir akzep­tieren keine homo­se­xu­ellen Paare.“ Zwar gewährten 33 der 69 von der FIFA emp­foh­lenen WM-Hotels eine Reser­vie­rung, doch 23 wei­tere Her­bergen sagten eine Buchung für das ima­gi­näre Paar ab, oder gestat­teten ihr den Auf­ent­halt nur unter strengsten Bedin­gungen. So solle sich das Paar nicht öffent­lich küssen oder geschminkt auf­treten.

Die Ver­bin­dungen zwi­schen Katar und der Uefa

Und so schließt der Rei­se­be­richt der Uefa-Arbeits­gruppe mit einem gemischten Fazit. Vor Ort habe sie den Ein­druck erhalten, dass Ver­än­de­rungen statt­finden und dass die WM diesen Pro­zess sogar beschleu­nigen würde. Doch müsse es vor und nach dem Tur­nier weiter große Anstren­gungen geben, um die Ent­wick­lung bei­zu­be­halten.

Erstaun­lich ist der nich­tige Erkennt­nis­ge­winn der Uefa nicht unbe­dingt. Auch dorthin hat der Staat Katar seinen Ein­fluss­kreis längst aus­ge­weitet. Bei der euro­päi­schen WM-Qua­li­fi­ka­tion durfte die Natio­nal­mann­schaft Katars als Gast­team antreten, außerdem ist Qatar Air­ways einer der EM-Spon­soren. Und: Der Katari und PSG-Prä­si­dent Nasser Al-Khe­laifi ist Mit­glied im Uefa-Exe­ku­tiv­ko­mitee.