Die Laien-Psychologen unter uns wissen: Angst kann leistungssteigernd wirken. Wie schnell eine eben noch faul herumlümmelnde Maus flieht, wenn plötzlich eine Katze sich nähert!
Dieser Effekt der Angst hält allerdings nur kurz vor. Dauert sie an und wird zum Zustand, wirkt sie nicht nur leistungshemmend – sie lähmt. Irgendwann ergibt sich jede Maus lebensmüde ihrem Schicksal. Angst essen Seele auf – und Katz‘ die Maus.
Insofern bleibt rätselhaft, worauf jene Fans des 1. FC Köln abzielten, die am Montag auf eine Bande am Trainingsplatz in schwarzen Großbuchstaben „Wenn Ihr absteigt, schlagen wir Euch tot“ sprühten.
Abstiegsangst besteht rund ums Geißbockheim nach den zuletzt erbarmungswürdigen Ergebnissen ohnehin, sie durch Androhung von Gewalt auch noch zur Todesangst hinauf multiplizieren zu wollen, erscheint da wie ein perfider Angriff aus den eigenen Reihen.
„Das hat mit Menschenverstand nichts zu tun“, sagte Lukas Podolski
Oder wollten die Drohenden ihre Mannschaft etwa „wachrütteln“, wie es im Jargon der Fußballfeldwebel heißt? Das immerhin dürfte gelungen sein, denn die Profis zeigten sich hinterher durchaus alarmiert. „Das ist eine Schande“, sagte Keeper Michael Rensing. „Das hat mit Menschenverstand nichts zu tun“, sagte Kapitän Lukas Podolski. Statt der vielleicht erhofften Konzentration dürfte jedoch Nervosität das Ergebnis sein: Wie spielt es sich wohl mit dem Fan als Feind? Mit einer Kurve im Rücken, die Mordphantasien hegt?
Möglicherweise wollten die sogenannten Fans ihre Angst auch einfach nur teilen, und das eben mit drastischen Mitteln. Profis wird oft nachgesagt, dass sie nicht bedingungslos an einem Verein hängen. Sie können ja wechseln und sich so dem Abstieg entziehen – den Fans ist das nicht möglich. Das Totschlag-Graffito könnte also ein Versuch gewesen sein, die vermeintlich leidenschaftslosen Kicker tief hinein zu ziehen in die apokalyptische Seelenlandschaft eines echten Kölners. Geteilte Angst ist doppelte Angst. Herzlich willkommen in unserer Hölle, Scheißmillionär.
Was aber soll er dort? Die letzten drei Spieltage im inneren Gomorrha zu verbringen, wandelt die DNA eines modernen Bundesligaspielers nicht zum vermeintlich Besseren. Im Gegenteil: Er wird sich nur umso weiter von jenen Fans und dem Verein, den sie zu repräsentieren glauben, entfernen. Todesdrohungen laden nun mal nicht nicht zur Identifikation ein. Hätte man sich denken können.
Sie tragen die PS-Zahl im Herzen, nicht den Geißbock
Möglicherweise haben die Kölner Montagsmaler sich in ihrer Verzweiflung auch einfach in eine allzu drastische Wortwahl hinein gewütet. „Wenn ihr absteigt, zerkratzen wir euch den Porsche“ – das wäre ungleich charmanter gewesen und hätte womöglich sogar verfangen. In puncto Statussymbole empfinden manche Kicker durchaus mehr Ehrgefühl, als wenn es um Vereinszugehörigkeit geht. So mancher trägt die PS-Zahl seines Schlittens im Herzen, nicht den Geißbock. Auf den Parkplätzen vor den Trainingszentren liegt ihre wahre Verletzlichkeit.
Wir wollen nicht zur Sachbeschädigung auffordern. Wir wissen nur: Gewalt ist keine Lösung. Die Mannschaft des 1. FC Köln trainierte heute Morgen unter Personenschutz – ein Bild wie eine Karikatur der Entfremdung zwischen Spielern und Fans. Ein Teil dieser Fans hat den Abstiegskampf dadurch bereits verloren. Tiefer geht’s nicht.
Und was wird aus dem Klub? Heute Morgen hat Trainer Frank Schaefer enerviert hingeschmissen, Dinosaurier Volker Finke muss nun gucken, was noch geht – mit einer Mannschaft, die in Angst vor den eigenen Fans lebt.
Fest steht schon jetzt: Auf „Wenn Ihr absteigt, schlagen wir Euch tot“ kann es nur eine Antwort geben – „Wenn Ihr uns totschlagt, steigen wir ab.“