Östersunds FK aus Schweden folgt neuerdings den Lehren eines berüchtigten indischen Gurus. Das beschert dem Klub vermutlich den Klassenerhalt – aber auch massive Kritik.
Rubén Sanchez kam übrigens auf ausdrücklichen Wunsch von Amir Azrafshan nach Östersund. Und der Coach ist voll des Lobes über den „Consultant“. Sanchez, so Azrafshan, habe an der amerikanischen Transcendental-Meditation-Movement-Hochschule – Zitat – „Bewusstsein studiert“. Und weiter: „Dort mixt man Wissenschaft mit Hinduismus.“ Im Gegenzug würdigt Sanchez den Trainer als „Hirn“ des ÖFK, er selbst sei dessen „Immunsystem“, das Azrafshan schütze, so dass dieser „er selbst sein“ und die „gemeinsame Botschaft verbreiten“ könne. Das erste, was er den Coach gelehrt habe, so Sanchez, sei transzendentale Meditation gewesen.
Dazu sollte man wissen: Der erst 1996 gegründete Östersunds FK war schon immer ein, nun ja, spezieller Klub. Ex-Trainer Graham „Harry“ Potter, ein Engländer, dem man wahre Zauberkräfte attestierte, ließ die Profis regelmäßig Theaterstücke und Musikrevuen aufführen. So sollten sie lernen, ein Wir-Gefühl auch außerhalb des Platzes zu entwickeln. Der kleine ÖFK aus der 50.000-Einwohnerstadt wurde 2017 schwedischer Pokalsieger und qualifizierte sich für die Europa League 2017/18, wo man in zwei Gruppenspielen gegen die Hertha vier Punkte errang und an den Berlinern vorbei in die K.o.-Phase einzog. Außergewöhnliche Maßnahmen, so lernte man, bescheren außergewöhnliche Erfolge. Aber – nach den Lehren einer Sekte leben?
Patrick Ryan aus Philadelphia, ein ehemaliger Anhänger des Transcendental Meditation Movement, sprach mit „Aftonbladet“ über die perfiden Menschenfänger-Methoden der Sekte: „Das Movement sagt, sie können Kriege stoppen. Sie behaupten, sie können das Klima verändern. Sie sagen, sie können Unfälle verhindern (…) Sie behaupten alle möglichen Dinge. Egal, was an positiven Ereignissen passiert, sie führen dies auf sich zurück.“ Zugleich sage die Sekte, dass Erfolg und Glück nicht gratis zu haben seien: „Wer dieser Bewegung folgt, etwa um schneller laufen zu können oder um weniger gestresst zu sein, lernt eine Technik, die er auch kostenlos einem Buch entnehmen könnte. Aber das Transcendental Meditation Movement sagt, dass es nicht möglich ist, derlei Dinge kostenlos zu lernen, vielmehr müsse man viel Geld bezahlen.“
Experten benutzen im Zusammenhang mit der Sekte mitunter Begriffe wie Abzocke oder auch Gehirnwäsche. Die Bewegung selber spricht lieber von „transzendentalen Meditationstechniken“, die eine solch starke Wirkung hätten, dass man damit Krebs heilen könne. Von Mentalübungen, nach denen die Jünger für eine gute Sache ihr Leben lassen würden. Dazu passt, was Öresunds Co-Trainer Pero Kapcevic über die aktuelle Mission Klassenerhalt sagt: „Es ist wie im Krieg. Man muss zusammenhalten und bereit sein, für seinen Anführer und seinen Teamkollegen zu sterben, wenn man den Kampf und den Krieg gewinnen will.“
„Aftonbladet“ titelt derweil, Östersunds FK sei „gesteuert von einer indischen Sekte“. Manch einer argwöhnt gar, das Transcendental Meditation Movement wolle sich in Schweden ausbreiten, indem man einen Fußballklub als PR-Maschine benutze. Wenn man bei Amir Azrafshan zwischen den Zeilen liest, nimmt sich dieser Verdacht nicht mehr allzu verwegen aus: „Mir geht es nicht so sehr darum, in der 1. schwedischen Liga zu arbeiten, da bin ich ganz ehrlich“, sagt der Trainerguru. „Es geht vielmehr darum, dass wir das vermitteln, woran wir glauben.“