Sie schlugen den FC Bayern oder Borussia Dortmund. Heute arbeiten sie als Monteur oder Kurierfahrer. Vier Pokalhelden erinnern sich an das Tor ihres Lebens.
Kurz vor der Halbzeit: Wir erobern den Ball im Mittelfeld, dann flankt mein Mitspieler Wolfgang Hüttner auf den kurzen Pfosten, und ich halte den Kopf hin – 1:0. In der Kabine begann das große Zittern: Wir dachten, die Bayern überrennen uns in zweiten Hälfte. Aber es blieb tatsächlich beim 1:0. Nach dem Schlusspfiff sind die Bayern-Spieler sofort in die Kabine, die waren stinksauer. Danach haben wir richtig lange gefeiert. (…)
Eigentlich wollte ich den nächsten Tag freimachen, aber daraus wurde nichts, denn meine Mutter holte mich um acht Uhr aus dem Bett: Das Telefon klingelte ständig, ich sollte Interviews geben. An das Tor denke ich immer noch gerne. Zum zehnjährigen Jubiläum haben wir ein riesiges Fest auf unserem Hof veranstaltet – da haben wir das Spiel noch mal auf Großleinwand angeschaut. Auch mein elfjähriger Sohn schaut es sich ab und zu an. Für mich hat sich mittlerweile ein Kreis geschlossen: In meinem neuen Job als Aufzugsmonteur bauen wir gerade am Sportpark Ronhof, meiner alten Wirkungsstätte.
Eigentlich hatten wir nichts zu verlieren. Trotzdem fuhr ich mit einem mulmigen Gefühl zum Sportpark. Das Dortmunder Team war gespickt mit Nationalspielern – und dann sah mein Mitspieler David Schneider schon nach drei Minuten die Rote Karte. Es stellte sich nur die Frage: Würden wir sieben oder acht Dinger kassieren? Dann kam aber alles ganz anders: Mein 1:0 war der Aha-Moment. In der Halbzeit fragte ich Michael Zorc, ob wir uns auf ein Unentschieden einigen könnten. Damals gab es noch Wiederholungsspiele, und ich wollte gerne mal im Westfalenstadion auflaufen. (…)
Zorc lächelte, als wollte er fragen: „Wovon träumst du?“ Na gut, dachte ich, dann müssen wir euch rauswerfen. In der 65. Minute traf ich zum 3:1. Schade, dass sich nur 3800 Zuschauer im Stadion verloren. Weil es über 40 Grad waren, sind viele lieber ins Freibad gegangen. Heute arbeite ich für einen Finanzdienstleister in Nürnberg. Fußball schaue ich immer noch viel. Gerne den „Doppelpass“ – da moderiert mein damaliger Gegenspieler Thomas Helmer.
Es war wie im Traum: Pokalspiel, Essen gegen Schalke, 89. Minute, wir führen sensationell 1:0. Die Schalker rennen an. Stürmen mit zehn Mann in unseren Strafraum und erwarten einen letzten Eckball. Aber sie kommen nicht zum Abschluss, mein Mitspieler Thomas Ridder klärt. An der Mittellinie steht Jens Lehmann. Als er den Ball wieder nach vorne schießen will, verspringt er ihm. Ich bin sofort da und renne los, im Rücken spüre ich Lehmann, der das Sprintduell abbricht. (…)
Im nächsten Moment stehe ich mit dem Ball auf der Torlinie. Ich reiße die Arme hoch – und blicke zurück aufs Spielfeld. Das ganze Stadion jubelt. Ich jubele. Dann schiebe ich genüsslich ein. Die Szene ist heute legendär, auch weil es eine große Rivalität zwischen Essen und Schalke gibt. Später haben einige Leute gesagt, es sei unsportlich von mir gewesen. In diesem Moment war ich im Tunnel, ich habe nicht darüber nachgedacht. Heute arbeite ich als Medizinprodukteberater, und wenn mich Schalke-Fans erkennen, merke ich: Die nehmen mir das immer noch krumm.
Eine Viertelstunde vor Schluss bekomme ich am Strafraum einen Pass, den ich mit der Brust annehme und mit dem Außenrist ins Tor schlenze. Schalkes Torwart Jens Lehmann war wegen der Niederlage so wütend, dass er ein Loch in die Kabinentür trat, die wir deswegen auswechseln mussten. Ich bekam nach dem Spiel viele Anrufe, wie ich es wagen könne, den eigenen Verein rauszuschießen. Ich bin nämlich Schalke-Fan. Alles halb so wild, scherzte ich dann. In der nächsten Runde schmeiße ich einfach Dortmund raus. (…)
Und so kam es auch. Der BVB wurde uns im Achtelfinale zugelost, ich schlenzte wieder mit dem Außenrist ins Tor – und wir gewannen 2:1. Ganz schön irre, wenn man bedenkt, dass Schalke amtierender Uefa-Cup-Sieger war und der BVB die Champions League gewonnen hatte. Wir kamen schließlich bis ins Halbfinale, wo wir unglücklich gegen Duisburg ausschieden. Heute lebe ich immer noch in Trier, arbeite als Kurierfahrer und Co-Trainer der Eintracht. 2016 war wieder mal der BVB im Pokal zu Gast. Wir verloren leider 0:3.