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Seite 2: „Mit den Stollenschuhen in den Rücken“

Waren Sie jemals kurz davor, aus­zu­rasten?
Wenn ich mit­bekam, dass einem Vor­der­mann zum dritten Mal ein Gegner hin­term Rücken ent­wischte, habe ich dem Kol­legen natür­lich mal Bescheid gesagt. Ist ja nicht so, dass ich gar nicht sauer werde.

Von Ihnen ist aber nur ein Aus­raster akten­kundig: Bei einem Spiel des BVB gegen den VfB Stutt­gart.
Gio­vane Elber ging mir da wirk­lich auf die Nerven. Es gab Ecke, ein Kopf­ball wurde ver­län­gert und der Ball ging über mich rüber. Und was machte Elber? Stellte sich hinter mir in den Weg – und der Ball tru­delte see­len­ruhig ins Tor, ohne dass ich eine Chance gehabt hätte ran­zu­kommen. Da musste ich auf den Putz hauen.

Wie waren die Reak­tionen der Mit­spieler?
Ottmar Hitz­feld war so ver­dutzt, dass er mich nach dem Spiel fragte, ob ich auch auf den Schiri los­ge­gangen wäre. 

Ihre Ant­wort?
Jein.“ Das war ein hoch­emo­tio­nales Spiel. Toni Schu­ma­cher kam später zu mir und sagte: Junge, Du musst in sol­chen Situa­tionen aggres­siver werden. Wenn der das nochmal macht, nimm die Knie hoch.“ Zum nächsten Spiel dachte er sich eine Übung aus, die mich aggres­siver machen sollte.

Wie sah die aus?
Er sagte beim Warm­ma­chen: Stoffel, damit Du in Stim­mung kommst, springst Du mir jetzt mit den Stol­len­schuhen voran in den Rücken.“

Wie bitte?
Ab dem Tag habe ich das bei jedem Auf­wärmen gemacht. Es ging darum, mich heiß­zu­ma­chen. Feld­spieler haben mehr Mög­lich­keiten, um im Zwei­kampf Luft abzu­lassen. Auf diese Weise wurde auch ich kom­pro­miss­loser – was ein Tor­wart auch sein muss.

Für viele BVB-Fans sind Sie bis heute der Held von Auxerre“, weil Sie im Uefa-Cup-Halb­fi­nale 1993 im Elf­me­ter­schießen einen Straf­stoß parierten, der zum Errei­chen des End­spiels reichte.
Unsere Mann­schaft war damals nicht unbe­dingt prä­de­sti­niert, ins Finale zu kommen. Aber es war das ein­zige Elf­me­ter­schießen, das wir in diesen Jahren zu über­stehen hatten – und alle haben getroffen. Sogar Michael Schulz, der sonst nie zum Elfer antrat. Ich fragte ihn hinter: Langer, der ist ja voll in den Winkel gegangen!“ Darauf er: Keine Ahnung. Ich habe die Augen zuge­macht.“

Welche Erin­ne­rungen haben Sie sonst noch an dieses Spiel?
Die Stim­mung war sehr auf­ge­heizt. Da passten nur 20 000 Leute rein, die schon beim Warm­ma­chen kreischten. Wenn ich einen Ball durch­ließ, haben die geju­belt, als sei im Spiel ein Tor gefallen.

Unver­gess­lich war das grelle Tor­wart­trikot, das Sie damals trugen.
Es war mit Abstand das häss­lichste, das ich je in der Samm­lung hatte. Eigent­lich wollte ich es nie tragen, aber in der ersten Uefa-Cup-Partie gegen den FC Flo­riana hatten wir kein anderes Trikot, das sich aus­rei­chend von den geg­ne­ri­schen Jer­seys absetzte. Also habe ich mich da rein­ge­zwängt. Als es dann gut für uns lief, bin ich dabei geblieben.

Es müsste heute BVB-Museum hängen.
Mag sein, aber ich habe es nach dem ver­lo­renen Finale gegen Juve in unseren Fan­block geworfen. Es hatte seine Magie ver­loren.

Vier Jahre später gewannen Sie das Cham­pions League Finale gegen Juventus.
Ein unver­gess­li­cher Moment.

Der schönste in Ihrer Lauf­bahn?
Sicher­lich der bedeu­tendste, aber ich erin­nere mich auch gern an den Gewinn des schot­ti­schen Pokals im Derby gegen Celtic – gleich in meinem ersten Jahr auf der Insel. Mit dem BVB war es uns nie geglückt, den Cup zu holen.

Wel­chen Erfolg hätten Sie rück­bli­ckend gerne noch erzielt?
Ich hätte gerne 250 Bun­des­li­ga­spiele für den BVB am Stück gemacht. Doch am 33. Spieltag der Saison 1995/96 brach ich mir den Daumen und musste im letzten Sai­son­match pau­sieren. Sonst hätte ich bis zu meinem Wechsel nach Schott­land viel­leicht 254 Liga­spiele ohne Unter­bre­chung gemacht.

Nicht der erste Frust­mo­ment in Ihrer Lauf­bahn. Gleich in Ihrer ersten Saison als Stamm­keeper 1992 waren Sie fast Meister, als im letzten Moment der VfB Stutt­gart durch ein Tor von Guido Buch­wald noch am BVB vor­beizog.
Ach, wissen Sie, die Dra­matik habe ich auf dem Feld gar nicht mit­be­kommen. Erst als ich in der Kabine war und hörte, dass Lever­kusen gegen zehn Stutt­garter hätte gewinnen müssen, wurde mir bewusst, wie groß unsere Chance gewesen war. Vor der Saison hatte uns keiner zuge­traut, dass wir da vorne landen. Ich habe mich noch gewun­dert, wie Michael Rum­me­nigge, der vorher schon mit Bayern Meister gewesen war, vor Anpfiff am letzten Spieltag zu mir sagte: Junge, das ist heute ein Spiel wie jedes andere. Nur ganz anders“.

Das große Mys­te­rium Ihrer Lauf­bahn war Ihr abrupter Wechsel im Winter 1998/99 aus Dort­mund zu den Glasgow Ran­gers, nachdem Sie eine Klage gegen den BVB ange­strengt hatten.
Ich hatte nie geplant, den BVB zu ver­lassen. Aber nach dem Gewinn der Cham­pions League ver­än­derte sich im Klub einiges. Ich bekam mit, wie meine Mit­spieler zu Ver­trags­ge­sprä­chen bestellt wurden, auch die, die noch zwei Jahre Ver­trag hatten. Nur mich sprach nie­mand an. Erst habe ich mir dar­über keine Gedanken gemacht. Ich war mir sicher, irgend­wann werden die schon kommen.

Aber es kam nie­mand?
Ich hatte keinen Berater, an den ich mich wenden konnte, ich habe diese Sachen alle selbst erle­digt. Im Sommer 1997 folgte dann Nevio Scala auf Ottmar Hitz­feld als Trainer und baute im Team einiges um. Mein Ver­trag lief am Sai­son­ende aus, aber nie­mand sprach mich an

Welche Erklä­rung hatten Sie?
Aus meiner Sicht gab es drei Mög­lich­keiten: 1. Sie planten nicht mehr sport­lich mit mir, 2. Sie nahmen mich nicht ernst. Oder 3. Sie hatten mich schlichtweg ver­gessen. Was auch immer der Grund war, es gefiel mir nicht.

Haben Sie es den Ver­ant­wort­li­chen in dieser Form mit­ge­teilt?
Ich habe Manager Michael Meier ange­spro­chen und als er mir nichts in Aus­sicht stelle, habe ich gesagt, dass ich mir auch gut vor­stellen könne, ins Aus­land zu wech­seln.

Was ant­wor­tete er?
Er fragte, ob ich sicher sei, einen anderen Verein zu finden. Die Reak­tion hat mich getroffen und zeigte mir: Auch wenn der BVB mein Her­zens­verein ist, für den ich in den Jahren zuvor fast jedes Spiel gemacht habe – hier kann ich nicht bleiben.