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Roman Neu­städter gehört zum Kader der rus­si­schen Natio­nal­mann­schaft, bei der WM ist er nicht dabei. Wäh­rend des Tur­niers schreibt er an dieser Stelle seine Kolumnen, die erste Folge über sein Aus und die angeb­liche Disco-Affäre“ könnt ihr hier nach­lesen.

Russ­land hat geschafft, womit keiner gerechnet hatte. Nicht nur dass die Mann­schaft zwei Spiele gewonnen hat, sie hat eine krasse Euphorie ent­facht. Das Land steht hinter dem Team, die Fans pushen die Spieler nach vorne. Genau mit dieser Begeis­te­rung haben die wenigsten gerechnet. Ich bekomme Videos zuge­schickt, auf denen die Men­schen nach dem Spiel auf die Straßen rennen und feiern. Nichts ist mehr zu sehen von der Skepsis, die uns noch vor Monaten ent­gegen schlug. Nach dem 3:1 gegen Ägypten habe ich meinem Kumpel Denis Cherychev eine Nach­richt geschrieben: Du hast drei Tore geschossen – jetzt musst du den ›Gol­denen Ball‹ holen.“ Er schrieb nur zurück: Roman, ich weiß auch nicht, was los ist.“ Die Jungs sind wie auf einer Wolke.

Der Schlüssel für den Erfolg liegt zum einen in der Lauf­ar­beit. Ich wusste, dass die Jungs aus­trai­niert sind. Nach dieser inten­siven Vor­be­rei­tung fühle ich mich auch immer noch fit. Die Stra­tegie des Trai­ner­teams geht auf: Wir haben harte Ein­heiten gemacht, in denen wir Tem­po­läufe an Tem­po­läufe reihten. Das Trai­ning dau­erte mit­unter zwei Stunden. Am fol­genden Tag hatten wir dann frei. Diese Mischung aus Härte und Rege­ne­ra­tion zahlt sich nun aus.

Außerdem spielen viele meiner Team­kol­legen in der rus­si­schen Liga, die nur von März bis Mai lief. Die meisten Russen haben also nicht so eine lange, inten­sive Saison in den Kno­chen wie die Spieler des Geg­ners. So können sie auch in der 85. Minute noch mal ordent­lich anziehen.

Dzyuba ist der Spaß­vogel im Team

Der zweite Punkt betrifft die Abläufe vor dem geg­ne­ri­schen Tor. Bisher spielt Russ­land gna­denlos effektiv. Sie sind durch die Unter­stüt­zung sehr selbst­be­wusst und zwei­feln nicht mehr vor dem Tor. Der zweite Treffer gegen Ägypten war zudem sym­pto­ma­tisch für unseren tak­ti­schen Plan. Schon im Test gegen Öster­reich haben wir darauf geachtet, dass wir die Rück­räume besetzen. Wenn der Ball über rechts läuft, rückt der Links­außen ein. Wir schieben zum Ball hin.

In diesem Spiel ist Mario Fer­nandes zur Grund­linie durch­ge­startet und hat dann abge­legt, ohne den Blick zu heben. Das war intuitiv; er wusste, dass dort jemand steht. Cheryshev hat dann eis­kalt gegen die Lauf­rich­tung abge­schlossen. Der Plan ging auf.

Das dritte Tor hat dann Artem Dzyuba mit abso­luter Extra­klasse erzielt. Er ist ein Bre­cher, aber kann auch mit der Kugel umgehen. So wie er diesen Ball ver­ar­beitet und abge­schlossen hat, kenne ich ihn aus dem Trai­ning. Außer­halb des Platzes ist er ein echter Spaß­vogel und der lus­tigste Typ im Team. Er erin­nert an Lukas Podolski. Beim Essen redet er unauf­hör­lich und zieht alle Mit­spieler auf. Man kommt gar nicht mit den ver­balen Kon­tern nach, weil er so ein Feu­er­werk ablie­fert. Um ihn herum liegen die Mit­spieler vor Lachen auf dem Boden.

In der Mann­schaft herrscht sehr viel Har­monie

Noch vor dem Confed Cup 2017 hatte Dzyuba eine Mei­nungs­ver­schie­den­heit mit dem Trainer gehabt und war danach nicht mehr berufen worden. Jetzt kommt er im ersten Spiel rein, trifft und legt im zweiten Spiel nach. Es spricht für die Stärke dieser Elf, dass auch die Leute von der Bank da sind. Schon im Trai­nings­camp lief der Kon­kur­renz­kampf sehr har­mo­nisch ab, da war über­haupt kein böses Blut zu spüren. Es ist nun auch mög­lich, dass Dzyuba und Fedor Smolov sich als Spitze abwech­seln: Smolov bei Bällen in die Tiefe, Dzyuba als Wand­spieler gegen große Ver­tei­diger.

Russ­land muss nun genau diese Euphorie weiter mit­nehmen, aber sich auch bewusst sein: Sie stehen jetzt bei den Geg­nern auf der Rech­nung und werden nicht mehr unter­schätzt. Wenn sie aber weiter auf dieser Wolke schweben, dann werden in diesem Sommer noch sehr viele Russen aus ihren Häu­sern rennen. Und auf der Straße feiern.