Beim U19-Derby zwischen Schalke und dem BVB wurde Dortmunds Youssoufa Moukoko übel beleidigt. Während noch untersucht wird, ob darunter auch rassistische Äußerungen waren, ist die öffentliche Debatte längst entglitten.
Es gibt kaum einen Artikel über Moukoko, bei dem in der Kommentarspalte nicht jemand sein Alter anzweifelt oder diesbezüglich „witzig“ gemeinte und völlig despektierliche Bemerkungen formuliert werden. Auch der Augenzeuge vom Sonntag findet: „Die Debatte um Moukoko wird von Grund auf rassistisch geführt.“ Deshalb könne er den Gedanken, die Beleidigungen seien rassistisch motiviert, nachvollziehen. Sein Eindruck vom Sonntag ist jedoch: „Er wurde besonders übel beleidigt, weil er der beste Spieler auf dem Platz war, nicht wegen seiner Hautfarbe.“
Deshalb sei er irritiert gewesen, als der Verein bereits kurz nach dem Spiel in seiner Stellungnahme einen Rassismus-Bezug hergestellt habe. Zumal er die rassistischen Äußerungen von Clemens Tönnies im vergangenen Sommer nicht vergessen habe. Den Umgang des Vereins mit dem ehemaligen Aufsichtsratschef bezeichnet der Fan als „erbärmlich“. Nach Tönnies‘ Aussagen hatte Schalkes Sportvorstand Jochen Schneider den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden mehrfach öffentlich verteidigt, ihn unter anderem als „Menschenumarmer“ bezeichnet. Zu den Vorfällen vom U19-Derby sagte Schneider vor dem Spiel der Profis am Sonntagabend gegen Union Berlin und nur wenigen Stunden nach dem Spiel der A‑Jugend bei Sky: „Es ist nicht zu fassen, was sich manche Menschen in unserer Gesellschaft erlauben.“
Mal wieder zeigt sich dabei das schwere Erbe, das Tönnies dem Verein hinterlassen hat. Auch bei den Vereinsverantwortlichen ist mittlerweile offenbar angekommen, dass viele den Umgang mit den rassistischen Äußerungen an der Klubspitze als zu lasch empfunden haben. Wohl auch deshalb ist der Verein bemüht, diesen Eindruck nicht noch einmal zu erwecken und reagiert nun hart und schnell – und handelt dabei möglicherweise vorschnell.
Der Schalke-Fan findet: „Es ist wichtig, über Rassismus im Stadion und in der Gesellschaft zu diskutieren. Nur geben die Vorfälle vom Sonntag keinen Anlass dazu.“ Öffentlich hat sich die Debatte jedoch längst von der Fragestellung, ob es überhaupt rassistische Äußerungen gegeben hat, entkoppelt. Bei Twitter regiert die Empörung, selbst an Schalkes Stellungnahme, die die Emotionen im Derby umfasste, wird herumgemäkelt. Bei Sport1 nennt Chefredakteur Pit Gottschalk die Vorfälle gar in einem Atemzug mit Nürnberger Fans, die jüngst öffentlich um einen verstorbenen Neonazi getrauert hatten. Und Bild-Chefkolumnist Alfred Draxler scheut sich nicht, die Beleidigungen gegen Moukoko in einen Zusammenhang mit Schalker Ultras zu rücken, die die Mannschaft nach dem Spiel gegen Union Berlin mit markigen Worten auf das bevorstehende Revierderby eingeschworen hatten. Weil das eben alles zum schlechten Bild passe, das Schalke gerade in der Öffentlichkeit abgebe. Dass auch sein Kumpel Clemens Tönnies zu diesem Bild wesentlich beigetragen hat, erwähnt Draxler übrigens nicht.
Augenmaß beweist in der Angelegenheit hingegen bislang der DFB. Vizepräsident Günter Distelrath, beim Verband für den Bereich Anti-Diskrimierung zuständig, sagte am Montag: „Wir fordern immer, genau hinzuhören und hinzuschauen. Das hier ist so ein Fall, bei dem wir uns gemeinsam positionieren und vor den Spieler stellen müssen.“ Er würde es begrüßen, „wenn auch die unabhängige Sportgerichtsbarkeit hier ein klares Zeichen setzt.“ Der DFB Kontrollausschuss hat die Ermittlungen aufgenommen. Dabei will er unter anderem der Frage nachgehen, ob rassistische Beschimpfungen fielen.