Eine multi-nationale Liga mit Kopenhagen, Bröndby, Ajax, Celtic & Co. soll die Topklubs aus kleineren Ländern vor der Bedeutungslosigkeit retten. Eine gute Idee?
Gerüchte gibt es ja immer und überall. Doch was derzeit in Dänemark und Schweden durch die Medien geht, ist mehr als ein Gerücht. Seit dieser Woche ist es halbwegs offiziell: Eine Gruppe von Topklubs aus Skandinavien und wohl auch aus anderen Nationen plant eine neue, multi-nationale Fußball-Liga als Gegengewicht zu den alles beherrschenden Big-Four (Spanien, Deutschland, England und Italien). „Gemeinsam sind wir stark“ – nach diesem Motto wollen die Initiatoren wie der FC Kopenhagen künftig den Abstand zu Barca, Real, ManCity oder Bayern verringern. Und die Liste jener Vereine, die dabei mitmachen könnten, ist durchaus imposant.
Kein Geringerer als der Klubdirektor des dänischen Meisters FC Kopenhagen ließ die Katze aus dem Sack: „Es stimmt“, sagte Anders Hörsholt zu den Gerüchten über die Pläne für eine multi-nationale Liga. Zugleich mahnte er eine gewisse Dringlichkeit an. Der Grund liegt auf der Hand: Seit Kalle Rummenigge & Co. mit freundlicher Unterstützung der UEFA beschlossen haben, Klubs aus kleineren Ligen ab 2018 weitgehend aus der Königsklasse auszusperren, droht diesen der Fall in die Bedeutungslosgkeit. „Wenn wir jetzt nicht agieren“, erklärt Hörsholt der dänischen Zeitung BT, „werden die größten Vereine in Europa immer größer und stärker, während es für Vereine wie uns immer schwieriger wird. Wir müssen deshalb schauen, welche alternativen internationalen Lösungen es künftig gibt.“
Die neue Multi-Liga ist kein Hirngespinst
Dass die neue Multi-Liga kein Hirngespinst ist, lässt sich auch im übrigen Skandinavien heraushören. Der schwedische Topklub Malmö FF, in den letzten drei Jahren zwei Mal für die Königsklasse qualifiziert, soll ebenfalls großes Interesse an dem neuen Format zeigen. „Ich kann das nicht kommentieren“, sagt Malmös Sportlicher Leiter Daniel Andersson und tut es dann doch: „Es sind derzeit viele Projekte auf dem Weg, es wird geredet und getuschelt und es gibt viele Gerüchte. Man weiß nicht, wie die Zukunft aussieht.“
Man weiß aber durchaus, wie die neue multi-nationale Liga heißen könnte: „United League“ – so lautet der Arbeitstitel, der mittlerweile durchgesickert ist. Auch Kopenhagens ewiger Lokalrivale Bröndby IF, gecoacht vom deutschen Trainer-Rebellen Alexander Zorniger, sowie Norwegens Rekordmeister Rosenborg Trondheim und der zweimalige UEFA-Cupsieger IFK Göteborg sind als Teilnehmer im Gespräch. Klingt schon mal nicht schlecht.
Laut dänischen Zeitungen gibt es jedoch noch viel prominentere Kandidaten, die aus der etwas kantigen Idee eine richtig runde Sache machen würden: Hollands Riesen Ajax Amsterdam, Feyenoord Rotterdam und PSV Eindhoven etwa. Oder Schottlands Überklubs Celtic Glasgow und Glasgow Rangers. Oder die belgischen Institutionen RSC Anderlecht, Standard Lüttich und FC Brügge. Auch lose Kontakte nach Österreich und in die Schweiz soll es bereits gegeben haben.
Die oben genannten Klubs eint vieles – ihre größtenteils glorreiche Vergangenheit zum Beispiel. Gemeinsam haben sie in den letzten Jahrzehnten immerhin stolze 18 Europapokal-Trophäen eingespielt. Die Gegenwart dagegen ist ungleich grauer. Der letzte internationale Titel eines dieser Vereine liegt schon über 14 Jahre zurück: 2002 gewann Feyenoord Rotterdam den guten, alten UEFA-Pokal durch ein 3:2 im Finale gegen Borussia Dortmund.
Viele Spieler gehen lieber nach Russland, China oder selbst nach Kasachstan
Heute können Vertreter kleinerer Nationen kaum noch mitfiedeln im Konzert der Großen. Die heimischen „Märkte“ in Ländern wie Schottland, Dänemark oder den Niederlanden sind – jeder für sich genommen – viel zu begrenzt, um nennenswerte TV-Gelder zu generieren. Auch das Sponsoringaufkommen ist eher gering. Die logische Folge: Viele Spieler gehen heute lieber nach Russland, China oder selbst nach Kasachstan als in die Eredivisie oder die Scottish Premier League.
Eine „United League“ dagegen könnte aus vielen kleinen Ländern einen großen gemeinsamen „Markt“ machen – und aus einer Reihe von Traditionsvereinen eine zukunftsfähige Topliga. In Zeiten eines zusammenwachsenden Europas wäre dies auch ein politisches Statement. Doch es gibt Fragezeichen. Bislang verbieten die Statuten der internationalen Verbände FIFA und UEFA das Betreiben multinationaler Ligen unterhalb der bestehenden kontinentalen und globalen Wettbewerbe. Die zwischen 2004 und 2007 in Skandinavien ausgespielte „Royal League“ mit Klubs aus Schweden, Dänemark und Norwegen galt lediglich als geduldetes Pilotprojekt, sie wurde zusätzlich zu den jeweiligen nationalen Ligen ausgetragen. 2008 wurde das endgültige Aus der Liga verkündet, u.a. wegen mangelnder Sponsorengelder.
Die neuen Pläne für eine multi-nationale Liga sieht man in Dänemark, Schweden und Norwegen nicht frei von Skepsis und Bedenken. Denn die teilnehmenden Vereine müssten wohl ihre nationalen Ligen verlassen. Claus Thomsen, Direktor des dänischen Ligaverbandes, vertritt auch kleinere Erstligisten wie AC Horsens oder Silkeborg IF. Er sagt: „Ich verstehe die Beweggründe hinter der Idee, aber das bedeutet nicht, dass ich sie für gut halte.“ Thomsen weiß: Würden Bröndy und der FC Kopenhagen in die „United League“ hinüberwechseln, hätte die dänische Superliga plötzlich keine Zugpferde mehr.
Auch Magnus Ericsson, Vorsitzender der Malmöer Fanvereinigung MFF Support, steht einem Wechsel in die „United League“ eher ablehnend gegenüber: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Jahreshauptversammlung des Vereins dem zustimmen würde. Warum sollten wir das tun? Es gibt doch die Champions League und die Europa League, um sich mit internationalen Gegnern zu messen.“
„Paneuropäische Ligen sind ein Thema, das wir im Auge haben“
Spruchreif ist eh noch nichts. Die neue multi-nationale Liga könnte wohl frühestens 2021 an den Start gehen. Dann endet der übernächste Champions-League-Zyklus. Bis dahin wäre einiges zu klären. Die wichtigsten Fragen: Wie qualifiziert man sich für die neue Spielklasse? Stimmt die UEFA einer solchen Liga zu? Und, falls ja: Wie viele Champions-League- und Europa-League-Teilnehmer dürfte sie stellen? Was wird aus den Klubs, die in den nationalen Ligen zurückbleiben, können diese auf sportlichem Wege in die multi-nationale Liga aufsteigen?
„Noch ist es zu früh, um über konkrete Modelle zu sprechen“, sagt Anders Hörsholt vom FC Kopenhagen, „aber Diskussionen über paneuropäische Ligen sind ein Thema, das wir im Auge haben und an dessen Besprechung wir aktiv beteiligt sind.“ Insider glauben sogar: Die Pläne für die multi-nationale Liga sind viel weiter gediehen als Hörsholt zugibt. Auch wenn man sich außerhalb Kopenhagens noch nicht so richtig aus der Deckung wagt.