Der Fall Christian Eriksen zeigt: Die Funktionäre der UEFA müssen mitunter sehr, sehr harte Entscheidungen fällen – zwischen dem Wohlergehen der anderen und dem eigenen Geld.
Auch Danish-Dynamite-Legende Michael Laudrup geht mit dem europäischen Verband hart ins Gericht: „Die dänischen Spieler hatten eine Wahl zu treffen, die überhaupt keine Wahl war“, schimpft der ehemalige Barca-Star. „Man trifft eine Entscheidung so kurz nach einem so emotionalen Ereignis, das halte ich für falsch. Die UEFA hätte nur zu sagen brauchen: Natürlich werden wir heute Abend nicht spielen, und morgen werden wir die vorhandenen Möglichkeiten prüfen.“
Die bittere Wahrheit ist: Zeit, um abzuwägen, lässt der aufgeblähte Terminkalender im internationalen Fußball schon lange nicht mehr zu. Das zeigen allein die Rahmendaten dieser gnadenlos durchgepeitschten Europameisterschaft: Das Turnier ist eingequetscht zwischen einer (Corona-bedingt) endlos langen Klubsaison 2020/21 und einer (WM-bedingt) super-engen Klubsaison 2021/22. Für Eriksens Klub Inter Mailand endete die nationale Liga erst am 23. Mai, ganze 18 Tage vor EM-Beginn. Eine angemessene Regeneration gefolgt von einer systematischen Trainingsvorbereitung war in dieser kurzen Zeitspanne schlicht nicht unterzubringen. Ebenso wenig wie zwischen dem Ende der EM und dem Start in die kommende Spielzeit.
„ Was für eine Art von Wahl hatten die Spieler hier?“
Dabei mahnen Sportmediziner, Spielervertreter und Trainer wie Jürgen Klopp schon lange, dass die Gesundheit der Profis systematisch verheizt werde. Ein Verzicht auf die EM 2020 bzw. 2021 kam für die UEFA aber nicht infrage. Zu viel Sponsoren- und TV-Geld stand auf dem Spiel. Inzwischen, so könnte man mit Blick auf den Fall Eriksen anmerken, muss man in Nyon offenbar heikle Prioritäten setzen: Geld oder Gesundheit. Die Entscheidung fürs Monetäre vermag kaum zu überraschen. Da auf den fußballerischen Schlachtfeldern Europas nicht die Gesundheit der Funktionäre auf dem Spiel steht (wohl aber deren Wohlstand), wird natürlich gekickt. Notfalls auch mal 100 Minuten, nachdem ein junger Familienvater auf dem Rasen zusammengebrochen ist.
Man mag sich gar nicht ausmalen, wie die Turnierleitung entschieden hätte, wäre Eriksen nicht gerettet worden. „Es ist absolut lächerlich, dass die UEFA mit einer Lösung wie dieser daher gekommen ist“, schimpft auch Dänemarks Ex-Nationaltorhüter Peter Schmeichel, der Vater von Kasper. „Die dritte Möglichkeit“, so Schmeichel senior gegenüber dem britischen TV-Sender ITV, „wäre gewesen, das Spiel abzusagen und mit 0:3 aus der Sicht von Dänemark zu werten. Mal ganz ehrlich: Was für eine Art von Wahl hatten die Spieler hier?“