Schon Wochen vor dem Saisonfinale ist die Liga zum Einschlafen öde geworden. Zum, nun ja, Topspiel sind die 11FREUNDE-Traumdeuter zu Gast in den Gehirnwindungen von Michael Zorc und Uli Hoeneß.
An einem verregneten Märzabend liegen zwei Männer auf ihren sanft gepolsterten Chaiselongues. Einer in München, einer in Dortmund: Uli Hoeneß und Michael Zorc. Sie sinnieren über die Blütezeiten, in die sie ihre Klubs geführt haben. Hoeneß managt mittlerweile knapp 40 Jahre den FC Bayern, Zorc 20 Jahre den BVB.
Bei der Abendlektüre von Charles Dickens Weihnachtsgeschichte – Stichwort azyklisches Lesen – übermannt beide der Schlaf. In dieser Nacht werden sie Besuch bekommen. Von drei Geistern – wie in Dickens Geschichte! Den 11FREUNDE-Schamanen ist es gelungen, ferndiagnostisch ihre Träume zu dokumentieren.
Der Geist der vergangenen Spieltage
Um Punkt 1 Uhr nachts raschelt in München und Dortmund der Vorhang – und ein schweißverschmiertes, Marlboro-barzendes Gespenst in Baumwolltrikot blutgrätscht in die Wohnzimmer der Topmanager! Der Geist der vergangenen Spieltage! Gekommen, um Zorc und Hoeneß mit den Duellen ihrer Manager-Historie zu konfrontieren!
Vor exakt zehn Jahren nämlich trafen Zorc und Hoeneß ebenfalls am 28. Spieltag aufeinander. Damals, im April 2008, stürmte Bayerns Luca Toni gegen den Dortmunder Christian Wörns. Im Mittelfeld duellierten sich Florian Kringe und Andreas Ottl und auf den Bänken warteten Delron Buckley und Jan Schlaudraff auf ihre Einsätze. Das Ergebnis? 5:0 für den FC Bayern, der damit seinen Vorsprung zum damaligen Tabellenzweiten Werder Bremen auf zehn Punkte ausbaute – und am Saisonende souverän die Meisterschale über Münchner Rathausbalkon schunkelte. Die Geschichte, sie scheint sich zu wiederholen.
Die Bilanz weiterer Bayern-BVB-Spiele mit Zorc/Hoeneß-Beteiligung an 28. Spieltagen collagiert in der Presseschau:
2016/2017: „Ribery und Robben dominieren den BVB“ (Kicker)
2000/2001: „Kartenflut im Spitzenspiel“ (Kicker)
1996/1997: „Nullnull mit zwei Toren“ (taz)
Sich am Hohngelächer verschluckend und den nachfolgenden Geist ankündigend, bilanziert der Geist der vergangenen Spieltage:
Bayern: 1
BVB: 0
Der Geist der gegenwärtigen Spieltage
Um Punkt 2 Uhr nachts raschelt in München und Dortmund erneut der Vorhang – und ein haar- und zahnloser Opa erscheint vor Zorc und Hoeneß. Er, der Geist der gegenwärtigen Spieltage!, sei die menschgewordene Spannungskurve der Bundesliga. Denn am Samstag kann der FC Bayern, am siebten Spieltag vor Saisonende, … – Zorc und Hoeneß rütteln den eingeschlafenen Geist der gegenwärtigen Spieltage wach.
Als der die Manager für ihre fürchterlich konservativ-gewählten Trainer schimpfen will, fällt ihm sein Geistergebiss aus dem Geistermund. „Da hab iff wohl meinen Biff verloren“, murmelt er. Weder Zorc noch Hoeneß verstehen, dass der Geist in Gleichnissen spricht. Ist ja im Grunde auch egal. Tabellenplätze sind bloß durchlaufende Posten in der Endabrechnung. Bayern wird Meister, Dortmund schafft das, absolut visionäre, Saisonziel: die direkte Qualifikation zur Champions League! „Fuck yeah“ beziehungsweise „gäääääähn“. Zorc und Hoeneß schnarchen schon wieder, als der Geist der gegenwärtigen Spieltage sich mit seinem Urteil verabschiedet:
Bayern: 2
BVB: 0
Der Geist der zukünftigen Spieltage
Um Punkt 3 Uhr nachts raschelt in München und Dortmund erneut der Vorhang – unter grellen Lichtblitzen erhebt sich der perfekte Eventfan aus den Dielen! Der Geist der zukünftigen Spieltage! Glattgeleckt wie ein Hustenbonbon gockelt er vor den Topmanagern herum und doziert von der Zukunft des Fußballs. Hoeneß wirft vor Begeisterung mit Geldscheinen um sich, Zorc trocknet sich mit Banknoten die Tränen.
Den „28. Bundesliga-Spieltag“, wie wir ihn kennen, gibt es in der Welt des Geistes der zukünftigen Spieltage längst nicht mehr. Der FC Audi München unter Trainer Joshua Kimmich hat unlängst wieder die Weltliga gewonnen. Jetzt lässt er sich zu einem Testspiel beim alten Rivalen Borussia Rote Erde Dortmund herab, der mittlerweile in der Regionalliga Ruhr II herumkrebst. Das Testspiel endet nach 90 Minuten Füßeküssen tor- und ereignislos.
Hoeneß’ Traum verwandelt sich in einen Alptraum, als der Geist der zukünftigen Spieltage eröffnet, er habe ihm eine Horrorvision gezeigt und keinen 20-Jahre-Plan. Vor Hoeneß Augen explodieren die Säulenheiligen des modernen Fußballs. Unter sanften Harfenklängen vergibt der Geist der zukünftigen Spieltage zehn Fußball-Nostalgie-Romantik-Punkte an den BVB. Dann kitzelt die Morgensonne die beiden Manager wach.
Endstand:
Bayern: 2
BVB: 10