Der norwegische Traditionsklub Fredrikstad FK wurde jahrelang heimgesucht – von einem bösen Geist. Spieler und Mitarbeiter verließen den Verein, der einst erfolgreiche Klub stürzte ab. Doch jetzt ist Schluss mit dem Spuk. Hoffentlich.
Simen Rafn (25) spielt nicht mehr bei Fredrikstad FK. Er ist gegangen. Oder, besser gesagt: geflohen. Vor dem bösen Spuk. „Eines Abends trainierte ich noch eine Weile allein im Kraftraum“, erinnert sich Rafn, der heute bei Lilleström SK unter Vertrag steht. „Es war so gegen 20 Uhr. Als ich fertig war und mich geduscht hatte, setzte ich mich auf eine Bank in der Umkleidekabine. Plötzlich hörte ich, dass irgendwo Wasser lief. Ich rief. Aber es antwortete niemand. Also schaute ich bei den Toiletten nach und entdeckte, dass dort ein Wasserhahn voll aufgedreht war. Dabei war ich selbst gar nicht dort gewesen und jeder, der dort hinein oder hinaus wollte, hätte an mir vorbeigehen müssen.“ Simen Rafn bekam es mit der Angst zu tun. „Ich zog mich in Windeseile an und raste nach Hause. Bis heute muss ich immer wieder an diese Episode denken.“
Nun könnte man Rafns Erzählung leichtfertig als Einbildung abtun. Oder als blöde kleine Gespenstergeschichte. Doch derlei Dinge geschahen immer wieder bei Fredrikstad FK, jahrelang, dutzendfach, hundertfach: Merkwürdige Poltergeräusche in der menschenleeren Geschäftsstelle, von Geisterhand verwüstete Schreibtische, böse Vorzeichen an der Anzeigetafel, mysteriöse Kreide-Malereien an den Kabinenwänden und unsichtbare Wesen, die den Spielern im Training ein Bein stellen. Von denen weiß Ex-Fredrikstad-Profi Agbar Barsom (39) zu berichten. Er schwört: „Das ist mir wirklich widerfahren – und zwar nicht nur einmal!“
„Alle Möbelstücke waren verrückt“
Immer wieder passierte etwas Unerklärliches beim neunmaligen norwegischen Meister und elfmaligen Pokalsieger. Von einem bösen Fluch ist die Rede, von Geistern und Gespenstern, von Trollen, Elfen oder Wichteln.
Fredrikstads früherer Pressechef Thomas Torjusen ist ebenfalls getürmt. Er arbeitet heute beim norwegischen Ligaverband. Der gelernte Journalist ist sich sicher: Hinter all dem Ungemach steckt der „Vaerstekaellen“, eine lokale Sagenfigur. „Er war einst Wachmann in einer alten Werkstatt in Fredrikstad, und nachts geht er immer noch umher. Aber der Vaerstekaellen hat offensichtlich eine ziemlich negative Energie.“ Torjusen laufen noch heute kalte Schauer über den Rücken, wenn er aus seiner Zeit beim Klub berichtet: „Ich habe dort so viel Unheimliches erlebt, dass ich nicht im Geringsten an der Existenz dieses Spuks zweifle.“
Einmal hatte Torjusen noch weit nach Mitternacht in seinem Büro zu tun. „Ich saß in der dritten Etage der Geschäftsstelle, gleich neben dem Presseraum. Im Stockwerk über mir hörte ich plötzlich Stühle rücken. Es hörte sich an, als finde dort eine große Versammlung statt. Zuerst dachte ich, es sei vielleicht der Platzwart, aber der war schon längst heimgefahren. Als ich nach oben ging, um nachzuschauen, war dort niemand. Der Raum war dunkel. Aber sämtliche Möbelstücke waren verrückt, und zahlreiche Bilder hingen schief an der Wand. Da durchfuhr mich ein gewaltiger Schreck – und das ist noch milde ausgedrückt.“
Torjusen scheute sich zunächst, den Kolleginnen und Kollegen von seiner Horrornacht zu erzählen. Als er es dennoch tat, merkte er: Niemand wunderte sich. Fast alle hatten bereits Ähnliches durchlitten. Die Klubsekretärin berichtete von Regalen, die von der Wand abgerückt worden waren, während sie ihnen kurz den Rücken zugewandt hatte. Der Platzwart, einer dieser knorrigen norwegischen Naturburschen, wusste von völlig verbogenen Werkzeugen und anderen Merkwürdigkeiten zu erzählen. Und auch Klubfremde bekamen den Spuk zu spüren. Torjusen erinnert sich: „Im VIP-Bereich des Stadions fanden oft Hochzeitsfeiern statt. Dabei kam es vor, dass Gäste sich angstvoll fragten: Was in aller Welt geht hier vor?“
Irgendwann wurde auch die lokale Presse auf den unheimlichen Geisterzauber aufmerksam. Das „Fredrikstad Blad“ berichtete 2010 erstmals über mysteriöse Vorkommnisse in der Geschäftsstelle: Schränke, die plötzlich umgefallen waren. Bilder, die von den Wänden verschwanden. Aufzüge, die sich mitten in der Nacht von allein in Bewegung setzten. Meistens ereignete sich der Spuk zwischen 23 Uhr am Abend und 5 Uhr früh.
Der Herrsteller beteuert: Das gab es noch nie
Und dann ist da noch dieses angegilbte Schwarz-Weiß-Foto, das bis heute im VIP-Raum hängt. Es wurde 1921 in einer alten Werkstatt in Fredrikstad aufgenommen und zeigt einen Mann mit Hut, der in einem riesigen Metallkessel sitzt. Angeblich verschwindet der Mann hin und wieder aus dem Foto – und kehrt wenig später wieder zurück, als sei nichts geschehen. Ist er der geheimnisvolle Vaerstekaellen? War er es, der eines Nachts im Jahr 2011 die alte mechanische Spielstands-Tafel im Stadion in zwei Teile brach und kurz darauf auch die neue zerstörte? Während eines Spiels gegen Sarpsborg brannte sich der angezeigte Spielstand (0:2) auf ewig in der elektronischen Anzeige fest. Der Hersteller beteuerte: so etwas sei noch nie vorgekommen. War es ein Zeichen?
Irgendwann hatte sich die Sache mit dem Spuk so weit herumgesprochen, dass niemand mehr zu Fredrikstad FK kommen wollte – keine Putzfrau, keine Sekretärin, kein Spieler. So ging es auch sportlich immer weiter bergab mit dem Verein. Der FFK, dessen letzter Meistertitel von 1961 datiert, rutschte in der aktuellen Saison bis auf den letzten Platz der zweiten norwegischen Liga ab.
Professionelle Geisterjäger mussten helfen
Dann, endlich, handelte der Vorstand – und ließ nach zahlreichen Bitten der Fans in der vergangenen Woche professionelle Geisterjäger ins Haus. Die werkelten mehrere Nächte lang mit schwerem Gerät und geheimnisvollen Gegenständen im Stadion, in der Geschäftsstelle, in den Kabinen und auf dem Trainingsplatz herum. Und seitdem ist Ruhe. Vorerst zumindest.
Auch sportlich zeigte die Aktion Wirkung: Fredrikstad gewann das folgende Zweitliga-Spiel mit 4:0, es war der erste Sieg überhaupt in dieser Saison. Kann das Zufall sein?