Die Fans von Bröndby kämpfen verbittert gegen eine Übernahme durch Red Bull – obwohl die nie zur Debatte stand. Eine Geschichte über Fake News im Fußball-Business.
Jan Bech Andersen kann diesen Proteststurm einfach nicht nachvollziehen. Behauptet er zumindest: „Ich bin über das Theater der vergangenen Woche wirklich verärgert“, teilte der augenblickliche Mehrheits-Eigentürmer von Bröndby IF am vergangenen Wochenende der Zeitung „Ekstra Bladet“ mit: „Vor allem, weil es keine Grundlage dafür gibt. Ich habe bereits Anfang dieser Woche gesagt, dass ich einen Kontakt mit Red Bull kategorisch ausschließen kann.“
Doch die Proteste der Bröndby-Fans gehen weiter, immer weiter: in Form von bitterbösen Gesängen, Graffitis, nächtlichen Hupkonzerten vor der Geschäftsstelle, offenen Briefen diverser Fanclubs, auf Transparenten voller Angst und Wut. Am Freitag hatten sich sogar die Fans von Borussia Dortmund mit dem befreundeten Bröndby-Anhang solidarisiert und beim Spiel gegen Köln unter anderem ein Spruchband in dänischer Sprache entrollt: „Finger weg von Bröndby IF“.
Bereits zuvor hatten die „Mitteldeutsche Zeitung“ und dänische Gazetten unter Berufung auf Red-Bull-Kreise gemeldet: Ein Einstieg des Brausekonzerns stand niemals zur Debatte, das Ganze sei bloß eine riesige Ente. Doch die Proteste rissen einfach nicht ab, im Gegenteil: Sie wurden noch heftiger und noch wütender. Als der zehnmalige dänische Meister am Samstag ein Testspiel auf einem Nebenplatz des Bröndby-Stadions bestritt, hatte die Fanszene auf Sturm geflaggt: „Lieber Konkurs als RB!“, „Verpiss dich, Red Bull!“ (in deutscher Sprache) und „Fuck off, RB“ prangten dort auf riesigen gelben Transparenten.
Der Aufruhr um die vermeintlich bevorstehende Übernahme ist offensichtlich eskaliert, woran Klubeigner Jan Bech Andersen sicher nicht ganz schuldlos ist. Er soll die Gerüchte über das angebliche Red-Bull-Interesse sogar selbst lanciert haben. Behauptet zumindest mancher im Umfeld des Klubs. Bech Andersen sucht nämlich händeringend einen neuen, finanzkräftigen Investor, um den wirtschaftlich wankenden Klub vor dem Sturz zu retten – und damit sein selbst eingebrachtes Kapital. Doch das Interesse potenzieller Geldgeber scheint derzeit nicht allzu groß.
Nach dem Aufkommen der Red-Bull-Gerüchte, so viel ist gesichert, verzichtete Bech Andersen erst einmal auf jegliches Dementi. Bröndby bekomme laufend Anfragen von interessierten Investoren, erklärte der Verein auf Nachfragen zu den Red-Bull-Gerüchten und ergänzte vielsagend wenigsagend: „Wenn diese Anfragen in konkrete Verhandlungen münden, wird Bröndby IF den Markt sofort darüber informieren.“ Zwar sollten diese 15 Worte in erster Linie „den Markt“ anheizen, doch in der Fanszene kochte die Stimmung nach dieser Ad-hoc-Meldung schier über.
Was nun folgte, war ein lupenreines Lehrstück über Fake News im Fußballbusiness, über verspieltes Vertrauen und über Massenhysterien in Zeiten der modernen Medien: Hatten viele Bröndby-Fans schon das Nicht-Dementi ihres Vereins als halbe Bestätigung für die drohende Übernahme betrachtet, so fanden sie in den endlosen Weiten des Internets schnell weitere „Belege“ – wohl auch, weil die Anhänger des Lokalrivalen FC Kopenhagen das Netz genüsslich mit allerhand Blödsinn zugemüllt hatten. Die Blau-Gelben würden „künftig wohl RB heißen“, schrieb einer, diese Abkürzung stehe für: „Red Bröndby“. Irgendwo stand sogar zu lesen, Red-Bull-Tycoon Mateschitz sei persönlich in Kopenhagen eingeflogen, um den Einstieg zu finalisieren.
Plötzlich schien nichts mehr undenkbar. Und der Geist, den Jan Bech Andersen aus der Red-Bull-Dose gelassen hatte, war längst nicht mehr zu kontrollieren. Ist er bis heute nicht – nicht einmal durch Bech Andersens spätes, aber dann doch recht deutliches Dementi. Schließlich sind die Fanreaktionen in all ihrer Heftigkeit nicht allein Ausdruck der Ablehnung gegenüber Red Bull und seinen Machenschaften im internationalen Fußball. Aus den Protesten des Bröndby-Anhangs spricht viel mehr eine generelle Angst vor dem Verkauf des Klubs und vor einem (möglicherweise) drohenden Identitätsverlust.
„Unser Verein darf nicht von einer Gruppe ausländischer Reicher niedergeschlagen und zerstört werden, die Bröndby IF zu einem seelenlosen Geschäftsprojekt machen werden“, appelliert der Fanclub „Sydsiden“ in einem offenen Brief. Das Misstrauen im Umfeld des Traditionsklubs ist derweil so groß, dass Teile der Fanszene die Klubverantwortlichen regelrecht beschatten, um über sämtliche Businesstreffen und mögliche Übernahmekandidaten frühestmöglich informiert zu sein.
Denn eines ist Fakt, auch wenn Red Bull ziemlich sicher nie in Bröndby aufschlagen wird: Irgendwer muss den seit 1987 börsennotierten Klub übernehmen und sanieren. Und zwar möglichst rasch. Zuletzt konnte sich Bröndby IF nur durch die Ausgabe zusätzlicher Aktien und durch immer neue Darlehen über Wasser halten. Die Geldspritzen gingen direkt in die Finanzierung des laufenden Betriebs und in die Tilgung fälliger Kreditraten. Im Volksmund nennt man diese Praxis: Löcher mit Löchern stopfen.
Der Fanklub „Svinget Bröndby“ versuchte deshalb, die Kohle für eine Vereinsübernahme selbst auf die Beine zu stellen und investierte in 135 Lottoscheine für die 68 Millionen Euro schwere EuroJackpot-Ziehung – letztlich jedoch ohne Erfolg.