Warum Stuttgarts Kevin Großkreutz ein Gewinner ist, auch wenn er mal so richtig kacke spielt.
Sandro Wagner
Und wer Typen liebt, muss ihn lieben. Denn da stand er nun. Der Mann, dem man am Ende seiner drei Jahre Hertha kaum mehr zutraute, per Torschuss die Luft vor ihm zu treffen. Der Mann, der gerade den Siegtreffer und sein 14. Saisontor erzielt hatte. Der Darmstadt damit den Klassenerhalt sicherte. Einen Spieltag vor Ablauf der Saison. Darmstadt! Und weil das alles Wahnsinn ist, ließ auch Wagner jede Räson fahren.
Prügelte sich die Faust auf’s Herz. Legte den Zeigefinger als Mahnmal des Schweigens auf die Lippen. Und deutete unbestimmt in Richtung Himmel. Oder Hölle. So genau war das nicht mehr auszumachen. Der ganze Jubel reine Ekstase. Dargeboten direkt vor der Ostkurve des Olympiastadions. Vor denen, die Hertha atmen. Ein und aus. Vor denen, die Wagner für den Moment gern ins brennende Walhall geatmet hätten. Und als sich die Gemüter schließlich beruhigt hatten, der Schlusspfiff Geschichte war, räumte Wagner die Übertreibung ein. Wie jeder große Darsteller.
André Hahn
Eigentlich könnte hier jetzt einfach nur stehen, was hier schon vergangene Woche stand. Denn auch gegen Bayer Leverkusen streute André Hahn Ballannahmen ein, die mittelbegabten Fußballern als Torschuss gereichen würden. Spielte Pässe über fünf Meter acht Meter weit daneben. Brach sich beim Versuch eines Hackentricks fast die Beine. Und stand am Ende des Tages trotz allem mit zwei Treffern im Spielberichtsbogen. Weil er einfach in jeder verdammten Sekunde alles in die Waagschale wirft, was das Leben ihm in die Hausapotheke gestellt hat. Und so geht das dann: Dass das Glück unter der Last des Bemühens gar nicht anders kann, als in seine Richtung auszuschlagen. So geht der Hahnsinn.
Stefan Aigner
Seine bisherige Saison verlief derart bescheiden, dass man ihn gerne mal mit auf die Kirmes genommen hätte. Allein damit er vor einem in die Tombola greife und mithin zielsicher alle Nieten herausfische. Doch plötzlich scheint sich das Blatt gewendet zu haben – Full Aigner. Siegtreffer in Darmstadt. Siegtreffer gegen Dortmund. In Kopfballungeheuer-Manier. Im Fallen. So schön fliegt nicht mal Eintracht-Adler Attila. Wir würden trotzdem und noch immer gern einmal mit ihm auf die Kirmes. Vorausgesetzt, er teilt. Denn momentan würden sich die Hauptgewinne wohl von ganz allein aus der Tombola schälen, sobald Aigner sich ihnen auch nur näherte.
Daniel Baier
Augsburg gerettet, Schalke Platz vier ruiniert: Was Daniel Baier in der 89. Minute und mit nur diesem einen Tor an Emotionen auslöste, dafür bräuchte selbst Giacomo Casanova ein paar hundert Romanseiten. Er selbst hingegen nahm es eher gelassen. Setzte den goldenen Schuss, drehte dann sogleich dezent jubelnd ab. Als hätte er gerade erfahren, dass die Dose Pizza-Tomaten, die er immer kauft, heute statt 79 nur 78 Cent kostet. Aber der Mann ist das schließlich auch gewöhnt. War ja immerhin seiner vierter Bundesligatreffer. In acht Saisons.
Robert Lewandowski
29 Tore in 31 Spielen. In Ingolstadt den achten Doppelpack der Saison erzielt. Und Meister geworden, klar. Zum persönlich vierten Mal. Robert Lewandowski nicht in die „11 des Spieltags“ zu nehmen, wäre, als würde man Angela Merkel nur zur zweitbesten, amtierenden Bundeskanzlerin erklären. Bedankte sich dann auch artig für die ihn erreichenden Glückwünsche. Erklärte, wie sehr er sich freuen würde und wie sehr erst, sollte er die magische 30-Tore-Grenze knacken, die zuletzt vor 39 Jahren Kölns Dieter Müller durchbrach. Für uns fast noch interessanter: Ob die Freude auch irgendwann in Lewandowskis Gesicht ankommt? Wir setzen drei Merkel-Rauten dagegen. Aktuelle Quote? Null für null.
Kevin Großkreutz
Sein Instagram-Account trägt den Namen „fischkreutz“. Sein Onlineshop verscherbelt sein ganz eigenes #Isso-Merchandise. Er soll mit Dönern geworfen und in eine Hotel-Lobby gepinkelt haben. Und trotzdem haben wir Kevin Großkreutz dolle lieb. Weil wir zwar nicht jeden seiner Sätze oder jede seiner Handlungen verstehen. Er aber trotzdem einfach ein geiler Kicker ist. Auch wenn er mal richtig kacke spielt. So wie gegen Mainz.
Doch dann stellt er sich, der Kevin. Den Fans und den Fragen der Welt. Gesteht ein, dass das nix war, hömma. Dass es ihm leid tut. Und es hätte keine seiner Tränen gebraucht, ihm jede Silbe der Verzweiflung und Enttäuschung abzunehmen. Wer solche Typen in seinen Reihen hat, verliert niemals so ganz. #Isso.