Bastian Oczipka hat gerade die Zeit seines noch jungen Lebens: Mit Eintracht Frankfurt jagt der 23-Jährige den FC Bayern und begeistert die Bundesliga. Hier spricht er über mögliche Trainingspausen von Armin Veh und Erinnerungen an Jay-Jay Okocha.
Bastian Oczipka, wie macht es sich auf einer Euphoriewelle?
Wirklich gut. So lange wir können und dürfen, surfen wir gerne darauf.
Woran merkt man, dass gerade irgendwie alles klappt, was Eintracht Frankfurt anpackt?
Unser Innnenverteidiger Bamba Anderson hat neulich gegen den Hamburger SV einen doppelten Übersteiger am gegnerischen Strafraum versucht. Was soll ich sagen: Das hat sogar funktioniert!
Wie häufig mussten Sie in den vergangenen Wochen Ihre Brötchen beim Bäcker selber bezahlen?
Eigentlich immer, aber die Komplimente gibt es gratis. Die ganze Stadt freut sich mit uns, die Euphorie ist auch bei den Zuschauern riesengroß.
Was Sie als Profi, der von Spiel zu Spiel denkt, natürlich nicht gutheißen können.
Doch, selbstverständlich. Auch wir Spieler genießen doch den gegenwärtigen Erfolg. Was nicht heißt, dass wir dabei den Boden unter den Füßen verlieren. Wir denken weiterhin von Spiel zu Spiel – aber die Tabelle schaue ich mir momentan trotzdem sehr gerne an! (Frankfurt ist momentan Zweiter, d. Red.)
Sie wollen also nicht auf die gute alte Euphoriebremse treten?
Nein, warum denn auch? Gehypt zu werden, gehört doch mit dazu. Ich fühle mich bei all der Begeisterung eher für meine Leistungen geehrt. Man muss das alles eben nur richtig einordnen können.
Und dazu ist die Mannschaft in der Lage?
Sollte sie wider Erwarten Probleme damit haben, dürfte unser Trainer sicherlich erfolgreich dazwischen gehen.
Wie gut ist Armin Veh denn aktuell gelaunt? Gibt er der Mannschaft auch mal eine Cola aus, statt sie zum nächsten Waldlauf zu schicken?
Wir haben noch keine Kraft- oder Ausdauereinheit sausen lassen und das wird sicherlich auch nicht passieren. Im Gegenteil: Wenn wir das Niveau auch nur ansatzweise halten wollen, dürfen wir uns keine zusätzliche Trainingspause gönnen.
Zumal die Eintracht ein sehr laufintensives Spiel betreibt. Ist es Zufall, dass die Frankfurter Spielweise der von Meister Borussia Dortmund ähnelt?
Nein, das hat schon einen Grund. Armin Veh hat uns vor der Saison viele Aufzeichnungen mit BVB-Spielzügen gezeigt. Wir orientieren uns durchaus am Dortmunder Tempofußball – bislang gibt uns der Erfolg ja auch recht.
Was macht eigentlich mehr Spaß: Mit Tempofußball 5:3 gewinnen oder mit kontrollierter Offensive das Spiel mit 2:1 nach Hause schaukeln?
Spaß macht, womit man gewinnt.
Abzüglich der Spieler aus der eigenen Jugend, hat Eintracht Frankfurt vor der Saison zwölf neue Profis unter Vertrag genommen. Sie sind einer von ihnen. Beim 2:1‑Sieg gegen den SC Freiburg am vergangenen Spieltag standen sieben dieser Neuzugänge in der Startformation. Wie ist es möglich, dass diese neu zusammengewürfelte Mannschaft so gut harmoniert?
Unter anderem, weil das Grundgerüst der Mannschaft so eingespielt und lange dabei ist. Sebastian Jung, Pirmin Schwegler, Sebastian Rode und Alex Meier geben uns einfach den nötigen Halt. Das macht es als Neuling natürlich leichter, sich schnell zu integrieren.
Wer kümmert sich von den Alteingesessenen denn um die Neulinge?
Unser Kapitän, Pirmin Schwegler. Der hat uns Neue an die Hand genommen und uns den Einstieg erleichtert. Das zahlt sich aus: Die Mannschaft ist auch häufig außerhalb des Rasens gemeinsam unterwegs.
Jede Welle schwappt auch mal an Land. Was müssen sie tun, damit das noch eine Weile dauert?
Die Motivation zu bewahren, in jedem Spiel Vollgas zu geben, dürfte wohl die wichtigste Aufgabe werden. Aber ich sehe da eigentlich keinen Grund, warum wir diesbezüglich Probleme bekommen sollten.
Das heißt, die Herbstmeisterschaft ist für die Eintracht durchaus drin?
Keine Ahnung. Da ich von Spiel zu Spiel denke, mache ich mir eher Gedanken um den nächsten Gegner. Die Gladbacher haben am Donnerstag in der Europa League spielen müssen, sie haben einige Verletzte und sind nicht in Bestform – wir haben also ganz gute Chancen, wieder zu punkten.
Borussia Mönchengladbach scheint die Wechsel von Marco Reus und Dante nicht verkraftet zu haben – welche Spieler sind in der aktuellen Frankfurter Mannschaft unverzichtbar?
Das ist ja das Schöne: Wir haben nicht den einen Superstar, an dem alles hängt wie an einem seidenen Faden. Ob Trapp, ob Rode, ob Schwegler, ob Meier, ob Inui – jeder von denen ist momentan in der Lage, ein Spiel zu entscheiden. Das macht uns ziemlich unberechenbar.
Wer ist eigentlich ihr historisches Vorbild: Kaiserslautern anno 1997/98 oder Borussia Mönchengladbach aus der Vor-Saison?
Bis auf die Dortmunder haben wir keine Vorbilder. Brauchen wir auch gar nicht.
Sie sind Jahrgang 89 und stammen aus Bergisch-Gladbach. Haben Sie trotzdem einen Lieblingsspieler aus der Geschichte von Eintracht Frankfurt?
Jay-Jay Okochas Tor gegen Oliver Kahn werde ich nie vergessen. Also dann vermutlich Okocha.
Wie häufig müssen Sie sich Vergleiche mit den legendären Frankfurter Mannschaften der frühen neunziger Jahre anhören?
Nicht so oft, wie sie vielleicht denken. Der „Fußball 2000“ ist keine historische Last für uns, schließlich tut der Verein einiges dafür, dass sich Eintracht Frankfurt gerade neu erfindet.
„Fußball 2012“ statt „Fußball 2000“?
So in etwa.