Seite 2: „Ich kannte fast alle – aber niemand kannte mich“

Spre­chen wir über Ihre Kar­riere. Sie waren einst auf dem Weg zum Fuß­ball­profi, haben mit Optik Rathenow in der Ober­liga und in der Zweiten Mann­schaft des 1. FC Mag­de­burg gespielt. Warum hat es nicht zu mehr gereicht?
Ich habe mir auf dem Platz zu viele Gedanken gemacht.

Es gilt also tat­säch­lich die alte Gerd-Müller-Weis­heit Wenn’s denkst, ist’s eh zu spät!“?
Absolut. Wenn du übers Feld läufst und die ganze Zeit dar­über grü­belst, was wer wie besser machen kann, dann ist das leis­tungs­hem­mend. Manchmal muss man sich auf Instinkte ver­lassen. Aber das, was mir als Spieler gefehlt hat, ist jetzt in der Trai­ner­po­si­tion för­der­lich. Jetzt ist es vor­teil­haft, wenn ich mir aus­gie­bige Gedanken über ein Gebilde wie eine Fuß­ball­mann­schaft mache.

War es denn Ihr Traum, Pro­fi­fuß­baller zu werden?
Ich wollte immer etwas mit Fuß­ball zu tun haben. Viel­leicht hätte es als Spieler auch für die Dritte Liga gereicht. Aber die Chance, im Fuß­ball tätig zu sein, habe ich in der Trai­ner­tä­tig­keit als größer ein­ge­schätzt.

Zwi­schen 2006 und 2011 arbei­teten Sie als Trainer der U17-Teams in Mag­de­burg und Leipzig. 2011/12 absol­vierten Sie den Trai­ner­lehr­gang in Hennef. Waren Sie der Exot des Jahr­gangs?
Anfangs. An dem Lehr­gang nahmen ja nicht nur Mehmet Scholl und Stefan Effen­berg teil, son­dern auch Jörg Hein­rich, Chris­tian Wörns und andere ehe­ma­lige Bun­des­li­ga­profis. Ich war da ein Nobody. Aber ich habe das auch als Chance begriffen. Schließ­lich konnte ich dadurch enorm viel über Dinge erfahren, die ich bis dato nicht kannte. Was macht ein Cham­pions-League-Finale aus? Was kenn­zeichnet die Arbeit von einem Ottmar Hitz­feld?

Wie ver­lief Ihr erster Tag?
Ich kam als jüngster Lehr­gangs­teil­nehmer in den Klas­sen­raum und blickte in die Gesichter von Ex-Profis, die früher als Poster über meinem Bett hingen. Ich kannte also fast alle – aber nie­mand kannte mich. Dem­entspre­chend seltsam war die Situa­tion, und natür­lich war ich auch ein wenig zurück­hal­tend und habe das Ganze erst einmal aus der Distanz betrachtet.

Wie haben Sie das Eis gebro­chen?
Der Platz neben Mehmet und Stefan war frei, viel­leicht hat sich nie­mand getraut, dort Platz zu nehmen. Also setzte ich mich dorthin. Und irgend­wann ist es wie in der Schule, du lernst gemeinsam, ver­bringst die Pausen zusammen oder plau­derst auch mal über Dinge abseits des Lehr­stoffs.

Sie haben den Lehr­gang mit der Note 1,0 als Zweit­bester abge­schlossen. Sind Sie sehr fleißig gewesen oder fiel Ihnen alles zu? 
Im Abi lief es ja ähn­lich. Daher liegt natür­lich der Ver­dacht nahe, dass ich ein typi­scher Streber bin. Aber das ist eigent­lich gar nicht meine Men­ta­lität.

Son­dern?
Ich bin sehr ehr­geizig und ziel­strebig, aber ich bin keiner, der 24 Stunden über Büchern hockt. Ich habe das Glück, dass mir das Lernen recht leicht fällt.

Ihre Bank­nach­barn Effen­berg und Scholl waren offenbar Fans von Ihnen. Beide ver­pflich­teten Sie später als Co-Trainer. Können Sie das erklären?
Fuß­ball­profis sind darauf gepolt, maxi­malen Erfolg zu haben. Ihre Haupt­frage lautet: Wie muss ich mein Team bauen, um diesen maxi­malen Erfolg zu erzielen? Sie wissen, dass es dazu eine gute Mischung braucht und nicht 20 iden­ti­sche Typen. Gerade Ex-Profis umgeben sich also mit Leuten, die von außen andere und ergän­zende Dinge in das Team bringen, etwa eine mensch­liche Kom­po­nente oder einen theo­re­ti­schen Ansatz. In dieses Raster passe ich offenbar rein. Ich habe weder Cham­pions League noch Natio­nal­mann­schaft gespielt, aber ich habe Erfah­rungs­werte, die einem Team in anderer Hin­sicht wei­ter­helfen können.