Ralf Rangnick soll Schalkes neuer Heilsbringer werden. Doch die Art und Weise, auf die der mögliche Neustart vorangetrieben wird, lässt wieder einmal wenig Gutes erahnen.
Denn es gibt tatsächlich gute Gründe, ein mögliches Engagement von Rangnick auf Schalke genau zu prüfen und sich dem vermeintlichen Retter nicht einfach willenlos an den Hals zu werfen. Schließlich sind derzeit noch eine Menge Fragen unbeantwortet. Da ist allen voran die „geheime Gruppe“. Wer gehört ihr an? Warum versucht sie, ohne Legitimation und an den Gremien vorbei Einfluss auf die Vereinspolitik zu nehmen? Was ist ihre Motivation, was ihr Ziel? Laut Kicker sind offenbar einige der Vertreter bestrebt, sich bei der anstehenden Mitgliederversammlung in den Aufsichtsrat wählen zu lassen. Mit einer erfolgreichen Rangnick-Verpflichtung hätten die geheimnisvollen Vertreter ein ordentliches Faustpfand. Doch damit nicht genug: Wie der Kicker weiter berichtet, strebt die Gruppe darüber hinaus eine komplette Neubesetzung der Führungsebene sowie eine Ausgliederung der Profiabteilung an.
Auch Ralf Rangnick gilt als jemand, der nicht besonders viel von der 50+1‑Regel hält. In Hoffenheim und Leipzig arbeitete er Hand in Hand mit Mäzenen und Investoren. Gut vorstellbar, dass er das auch für ein mögliches Wirken auf Schalke im Kopf hat. Schwer vorstellbar, dass die traditionsbewusste organisierte Schalker Fanszene dies einfach so hinnehmen würde. Eine Verpflichtung von Rangnick hätte demzufolge durchaus das Potenzial, die ohnehin streitlustige Schalker Gemeinschaft weiter zu spalten.
Gleichzeitig gilt aber natürlich auch: Keine andere verfügbare Personalie gibt so viel begründeten Anlass zur Hoffnung auf nachhaltigen sportlichen Erfolg wie die von Ralf Rangnick. Ob in Ulm, Schalke, Hoffenheim oder Leipzig: Wo Rangnick war, war Erfolg. Der Schwabe gilt als Projektarbeiter, der ganzheitlich denkt und in der Lage ist, nachhaltige Strukturen zu etablieren.
Nun ist es allerdings mit nachhaltigen Strukturen auf Schalke so eine Sache. Denn noch vor wenigen Wochen lautete die Idee, den Aufbau dieser Strukturen zumindest innerhalb der Mannschaft Dimitrios Grammozis anzuvertrauen. Weshalb der Trainer trotz des sehr wahrscheinlichen Abstiegs einen Vertrag bis über die aktuelle Saison hinaus unterschrieb. Doch ob Grammozis auch Rangnicks Mann wäre, ist eine weitere offene Frage.
An diesem Punkt offenbart sich auch die Fehlplanung der Schalker Führungsriege, einen Trainer zu verpflichten (und mit einem längerfristigen Vertrag auszustatten), noch bevor klar ist, wer neuer Sportvorstand wird und damit die sportliche Ausrichtung des Vereins bestimmt. Eine weitere Schleife im Schalker Schlingerkurs der vergangenen Jahre.
Professor Gesenhues, der Rangnick-Mann im Aufsichtsrat, entschuldigte sich übrigens bereits am Wochenende bei Funke Sport für sein Vorpreschen. „Dass sich meine Kollegen im Aufsichtsrat überrumpelt gefühlt haben, kann ich im Nachhinein verstehen, das tut mir leid. Da bedauere ich auch das Vorgehen, das hätte besser laufen können.“ Nun sei es wichtig, „dass wir jetzt alle an einen Tisch kommen.“
Tatsächlich ist für den heutigen Montag dem Vernehmen ein Gespräch zwischen Rangnick und der aktuellen Führung anberaumt. Gegenüber der dpa bestätigte der Aufsichtsrat Kontakte zu Rangnicks Berater. Es wäre höchste Zeit. Schließlich gibt es derzeit mehr offene Fragen als Antworten.
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