In Spanien – und nicht nur dort – herrscht Aufregung, weil der Verband ein neues Logo bekommen hat. Typisch moderner Fußball? Ganz so einfach ist die Sache nicht.
Vor einigen Tagen zeigte der moderne Fußball mal wieder seine hässliche Fratze. Oder vielleicht sollte man besser sagen: sein dank plastischer Chirurgie ebenmäßig geglättetes Antlitz. Am Dienstag stellte nämlich der spanische Fußballverband RFEF (Real Federación Española de Fútbol) sein neues Wappen vor, und das Ergebnis war ebenso erwartbar wie das begleitende Wortgewitter und die anschließende Empörung in den neuen und alten Medien.
Zuerst zum Ergebnis. Das alte Wappen, das laut ESPN-Autor Chris Wright seit 1988 in Gebrauch und eine „Explosion aus chaotischen Farben und abstrakter Geometrie“ war, wurde durch die Art von streng-schlichtem Logo ersetzt, wie man es heute an jeder Pommesbude oder Kfz-Werkstatt findet. Wieder Wright: „Das neue Design ist derart nichtssagend, dass man sich fragen muss, ob das Teil des Kreativ-Briefings war.“
Nun zum Geschwurbel. Luis Rubiales, ein Ex-Profi und Ex-Chef der Spielergewerkschaft, der seit 2018 Präsident der RFEF ist, erklärte bei der Präsentation: „Unsere Marke musste sich weiterentwickeln, mit Eleganz und Einfachheit, aber mit Kraft.“ Dann sagte Pablo Coppel, der Gründer der Designfirma, die nach eigenen Angaben anderthalb Jahre an dem neuen Kreis mit vier Buchstaben gearbeitet hat, irgendwas über eine „kohärente und geordnete Architektur“, mit deren Hilfe der Verband „seine Marken präsentieren kann“.
Kaum waren Rubiales und Coppel mit ihrem Werbesprech fertig, postete ein Nutzer bei Reddit das ehemalige und das neue Wappen. „Das alte Logo war vom berühmten Maler Joan Miró entworfen worden“, schrieb er. „Das neue … wurde das nicht.“ Bis jetzt finden sich 1.200 Kommentare unter dem Posting. Es wird niemanden überraschen, dass die meisten davon klingen wie dieser, den man nicht übersetzen muss: „Que asco la mierda que es esta jodida aberración.“
Ja, vielleicht handelt es sich beim neuen Logo tatsächlich um „eine Scheiße“ und eine „verdammte Verirrung“. Aber andere Fragen sind eigentlich viel interessanter. Zum Beispiel: Wie kann der 1983 verstorbene Miró ein Wappen entworfen haben, das 1988 vorgestellt wurde? Wie kommt Wright überhaupt auf das Jahr 1988? Und was hat der Surrealist Miró mit Fußball zu tun? Nun, zumindest das ist ganz einfach und bekannt. Schon 1974 schuf der Katalane Miró ein Gemälde zum 75. Geburtstag des FC Barcelona, sieben Jahre danach entwarf er das offizielle Plakat zur WM 1982 in Spanien. Etwas später, kurz vor seinem Tod, gestaltete er auch noch eine abstrakte Sonne als Logo für die spanische Tourismus-Behörde, doch dazu gleich mehr.
Das alte Logo der RFEF basierte ganz offenkundig auf diesen Designs und Mirós Form- und Farbensprache. Aber wie alt ist es nun? In dem Video, das der Verband zur Präsentation seines neuen Wappens erstellen ließ, sieht man im Schnelldurchlauf, wie sich die Embleme im Laufe der Zeit verändert haben. Die Entstehung des Miró-Logos wird im Film eindeutig mit dem Jahr 1988 verknüpft. Chris Wright verließ sich also bei seiner Datierung auf das, was die RFEF selbst behauptet. Denn die muss es schließlich wissen, oder?
Tut sie aber anscheinend nicht. Denn das bisherige Logo des spanischen Verbandes wurde am 19. Januar 1990 vorgestellt. An jenem Tag trat Angel Maria Villar, zu diesem Zeitpunkt seit zwei Jahren Präsident der RFEF, in prominenter Begleitung vor die Öffentlichkeit. Neben ihm stand niemand Geringerer als der Italiener Paolo Rossi, Torschützenkönig der WM 1982. Rossi hatte seine Karriere drei Jahre zuvor beendet, aber im Vorfeld der WM 1990 in Italien war er ein gefragter Mann. Einer seiner Jobs bestand darin, in seinem Heimatland für den spanischen Fußball zu werben.
Die RFEF hatte nämlich die römische Werbeagentur Trombetta damit beauftragt, das Image des Verbandes ein wenig aufzupeppen, damit man bei Italia 90 eine gute Figur abgeben würde. Dazu gehörte nach Meinung von Trombetta erst mal ein schickes neues Logo. Die italienischen PR-Experten warfen das mehr als vier Jahrzehnte alte Wappen in die Mülltonne und kombinierten für ihren radikal neuen Entwurf Mirós beliebtes WM-Poster von 1982 mit seinem Touristik-Motiv. Wie die Tageszeitung „El Mundo Deportivo“ schrieb: „Das neue Symbol des Verbandes, das vom Werk des spanischen Malers Joan Miró inspiriert ist, zeigt einen kugelförmigen Gegenstand, der an einen Fußball mit Heiligenschein erinnert und einem Bild der Sonne ähnelt.“
Auch das Signet, das die RFEF bis Dienstag nutzte, hatte also wenig mit Kunst oder gar Tradition zu tun und war keinesfalls authentisch. Es stammte ebenfalls aus der Feder von PR-Fuzzis, in diesem Fall nicht mal einheimischen, und wandelte hart an der Grenze zum Plagiat entlang. Die Trikots der Spieler zierte es übrigens nie, und das wird auch für das neue Logo gelten. Denn auf den Hemden der Nationalelf prangt nicht das Verbandsabzeichen, sondern das Wappen des spanischen Königshauses. Was allerdings auch für Ärger sorgen kann. So gab es bei der EM 2012 Aufregung, weil einem Heraldiker Fehler in dem komplexen Abzeichen aufgefallen waren, das der deutsche Ausrüster auf die Leibchen gedruckt hatte. Vielleicht sollten die Monarchen auch mal über kohärente Architektur und ein Rebranding ihrer Marke nachdenken.