Toni Schumacher hat er sich mit allen angelegt: Gegnern, Fans, dem DFB. Er brauchte die Konfrontation, um ein Klassekeeper zu sein. Heute wird er 70 Jahre alt. Interview mit einem großen Torhüter.
Die „taz“ schrieb nach Ihrem Debüt für Schalke 04 1987: „Obwohl Toni Schumacher beim 9:0‑Sieg seiner Mannschaft gegen die Sportfreunde Schwalbach faktisch nichts zu halten hatte, gelang es ihm, einem Gegner die Nase blutig zu hauen.“ Ihre Replik darauf: „Dieser und ähnliche Berichte bestärken mich in meiner Ansicht, dass es unter Journalisten unheimlich viele Arschlöcher gibt.“
Ich kann mich zwar an dieses Zitat nicht direkt erinnern, aber ich habe mir eben nichts gefallen lassen.
Waren Journalisten nach dem WM-Halbfinale 1982 gegen Frankreich Ihre Feinde? Damals sagten Sie zu einem Reporter nach dem Foul an Battiston: „Ich zahl’ ihm die Jacketkronen.“
Das tut mir heute noch leid. Damals gab es keine Pressesprecher, die Reporter liefen unmittelbar nach dem Schlusspfiff einfach auf den Platz. Heute ist das undenkbar. Versetzen Sie sich bitte einmal in meine Lage damals: Das Match war gerade zu Ende. Der Battiston-Unfall. Die dramatische Verlängerung. Das Elfmeterschießen. Ich war vollgepumpt mit Adrenalin. Noch auf dem Platz kommt jemand auf mich zugerannt und sagt, der Franzose habe zwei Zähne verloren. Heute würden die Journalisten gar nicht erst an mich herankommen. Und wenn, hätte mich zuvor ein Pressesprecher professionell vorbereitet. Aber damals habe ich wie in Trance geantwortet. Leider habe ich damals nicht die Zeit bekommen, mir vorab Gedanken zu machen.
Nach der Veröffentlichung des Buches „Anpfiff“ wurden Sie als Torwart des 1. FC Köln und der Nationalelf suspendiert. Sie hatten Kritik am DFB geübt, über Dopingmissbrauch ausgepackt und Interna aus dem Kreis der Nationalelf öffentlich gemacht. Dennoch sagten Sie: „Lieber einen Knick in der Karriere als einen im Rückgrat.“
Erstens: Sie müssen das Buch aus der Zeit heraus sehen. Ich hatte nie damit gerechnet, dass ich für die Wahrheit bestraft werden würde. Zweitens: Niemand hat dagegen geklagt, weil alles den Tatsachen entsprochen hat. Und drittens: Ich konnte mit der Situation am Schluchsee, wo wir 1982 eine katastrophale WM-Vorbereitung hatten, nicht umgehen. Das entsprach nicht meinem Anspruch. So entstand der Wunsch, diese Dinge aufzuschreiben.
Würden Sie das Buch noch mal so veröffentlichen?
Ein Mensch kann nur einen Weg gehen. Und ich wollte damals diesen Weg gehen. Meine Mutter hatte mich gelehrt, wenn ich die Wahrheit sage, kann mir nichts passieren. Das war im Nachhinein die bitterste Erfahrung: Dass ich die Wahrheit gesagt habe und hart bestraft wurde. Für die, die sich nachweislich falsch verhalten hatten, gab es keine Konsequenzen.
Wollten Sie wissen, wie weit Sie im Fußballbusiness gehen können?
Nein.
Was waren dann Ihre Beweggründe?
Wissen Sie, ich war damals überzeugt, dass meine Form von Ehrgeiz, Konzentration, Akribie und Perfektionismus die einzig richtige Art der Vorbereitung war.
Konfrontation hat Ihnen Spaß gemacht.
Ganz sicher mochte ich es, zu provozieren und gegen den Strom zu schwimmen.
Ihnen muss klar gewesen sein, dass Kollegen allergisch reagieren würden.
(Überlegt.) Schon möglich.
Hat es sich gelohnt, Kollegen wie Paul Breitner zu verprellen, über den Sie schrieben: „Er hat gesoffen wie ein Kosack … und anderntags hat er wieder auf dem Platz gestanden.“
Es ging mir um Wahrheit, ich habe mir nie die Frage gestellt, ob es sich lohnt. Aber ich kann Sie beruhigen, der Ärger mit Paul hielt sich in Grenzen. Er hat bald darauf angerufen und gesagt: „Toni, ist ja alles richtig, aber hättest du das unbedingt schreiben müssen?“
Nachtragender waren die Vereine und Verbände, die Sie zur Persona non grata machten.
Die Leute, die Verantwortung im deutschen Fußball hatten, waren noch nicht so weit, einzugestehen, dass ich in vielen Punkten richtig lag und alles der Wahrheit entsprach. Ich habe damals niemanden angestiftet, im Trainingslager zu zocken und zu saufen. Und ich habe auch keinem Verband empfohlen, die Spieler am Schluchsee einzukerkern, so dass sie aus Langeweile damit anfangen.