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Seite 4: „Es ging mir um die Wahrheit“

Die taz“ schrieb nach Ihrem Debüt für Schalke 04 1987: Obwohl Toni Schu­ma­cher beim 9:0‑Sieg seiner Mann­schaft gegen die Sport­freunde Schwal­bach fak­tisch nichts zu halten hatte, gelang es ihm, einem Gegner die Nase blutig zu hauen.“ Ihre Replik darauf: Dieser und ähn­liche Berichte bestärken mich in meiner Ansicht, dass es unter Jour­na­listen unheim­lich viele Arsch­lö­cher gibt.“ 
Ich kann mich zwar an dieses Zitat nicht direkt erin­nern, aber ich habe mir eben nichts gefallen lassen.

Waren Jour­na­listen nach dem WM-Halb­fi­nale 1982 gegen Frank­reich Ihre Feinde? Damals sagten Sie zu einem Reporter nach dem Foul an Bat­tiston: Ich zahl’ ihm die Jacket­kronen.“ 
Das tut mir heute noch leid. Damals gab es keine Pres­se­spre­cher, die Reporter liefen unmit­telbar nach dem Schluss­pfiff ein­fach auf den Platz. Heute ist das undenkbar. Ver­setzen Sie sich bitte einmal in meine Lage damals: Das Match war gerade zu Ende. Der Bat­tiston-Unfall. Die dra­ma­ti­sche Ver­län­ge­rung. Das Elf­me­ter­schießen. Ich war voll­ge­pumpt mit Adre­nalin. Noch auf dem Platz kommt jemand auf mich zuge­rannt und sagt, der Fran­zose habe zwei Zähne ver­loren. Heute würden die Jour­na­listen gar nicht erst an mich her­an­kommen. Und wenn, hätte mich zuvor ein Pres­se­spre­cher pro­fes­sio­nell vor­be­reitet. Aber damals habe ich wie in Trance geant­wortet. Leider habe ich damals nicht die Zeit bekommen, mir vorab Gedanken zu machen.

Nach der Ver­öf­fent­li­chung des Buches Anpfiff“ wurden Sie als Tor­wart des 1. FC Köln und der Natio­nalelf sus­pen­diert. Sie hatten Kritik am DFB geübt, über Doping­miss­brauch aus­ge­packt und Interna aus dem Kreis der Natio­nalelf öffent­lich gemacht. Den­noch sagten Sie: Lieber einen Knick in der Kar­riere als einen im Rück­grat.“ 
Ers­tens: Sie müssen das Buch aus der Zeit heraus sehen. Ich hatte nie damit gerechnet, dass ich für die Wahr­heit bestraft werden würde. Zwei­tens: Nie­mand hat dagegen geklagt, weil alles den Tat­sa­chen ent­spro­chen hat. Und drit­tens: Ich konnte mit der Situa­tion am Schluchsee, wo wir 1982 eine kata­stro­phale WM-Vor­be­rei­tung hatten, nicht umgehen. Das ent­sprach nicht meinem Anspruch. So ent­stand der Wunsch, diese Dinge auf­zu­schreiben.

Würden Sie das Buch noch mal so ver­öf­fent­li­chen?
Ein Mensch kann nur einen Weg gehen. Und ich wollte damals diesen Weg gehen. Meine Mutter hatte mich gelehrt, wenn ich die Wahr­heit sage, kann mir nichts pas­sieren. Das war im Nach­hinein die bit­terste Erfah­rung: Dass ich die Wahr­heit gesagt habe und hart bestraft wurde. Für die, die sich nach­weis­lich falsch ver­halten hatten, gab es keine Kon­se­quenzen.

Wollten Sie wissen, wie weit Sie im Fuß­ball­busi­ness gehen können?
Nein.

Was waren dann Ihre Beweg­gründe?
Wissen Sie, ich war damals über­zeugt, dass meine Form von Ehr­geiz, Kon­zen­tra­tion, Akribie und Per­fek­tio­nismus die einzig rich­tige Art der Vor­be­rei­tung war.

Kon­fron­ta­tion hat Ihnen Spaß gemacht.
Ganz sicher mochte ich es, zu pro­vo­zieren und gegen den Strom zu schwimmen.

Ihnen muss klar gewesen sein, dass Kol­legen all­er­gisch reagieren würden.
(Über­legt.) Schon mög­lich.

Hat es sich gelohnt, Kol­legen wie Paul Breitner zu ver­prellen, über den Sie schrieben: Er hat gesoffen wie ein Kosack … und andern­tags hat er wieder auf dem Platz gestanden.“ 
Es ging mir um Wahr­heit, ich habe mir nie die Frage gestellt, ob es sich lohnt. Aber ich kann Sie beru­higen, der Ärger mit Paul hielt sich in Grenzen. Er hat bald darauf ange­rufen und gesagt: Toni, ist ja alles richtig, aber hät­test du das unbe­dingt schreiben müssen?“

Nach­tra­gender waren die Ver­eine und Ver­bände, die Sie zur Per­sona non grata machten.
Die Leute, die Ver­ant­wor­tung im deut­schen Fuß­ball hatten, waren noch nicht so weit, ein­zu­ge­stehen, dass ich in vielen Punkten richtig lag und alles der Wahr­heit ent­sprach. Ich habe damals nie­manden ange­stiftet, im Trai­nings­lager zu zocken und zu saufen. Und ich habe auch keinem Ver­band emp­fohlen, die Spieler am Schluchsee ein­zu­ker­kern, so dass sie aus Lan­ge­weile damit anfangen.