Das Auschwitz Memorial erinnert regelmäßig an Menschen, die im nationalsozialistischen Vernichtungslager umgebracht wurden. Kürzlich tauchte im Zuge dessen das Bild eines Kindes auf – mit einem Anstecker des baskischen Klubs Real Sociedad am Jackenkragen. Warum war der Junge aus Tschechien Fan der spanischen Mannschaft?
Beim Thema Fußball und Social Media kommt einem zunächst unweigerlich das mittlerweile weit verbreitete Posen bestimmter Profis in den Sinn: eine Insta-Story über den Kurztrip im Privatjet, ein Selfie mit NBA-Stars in der Sommerpause, diverse Entgleisungen im Zusammenhang mit Edelmetallen als Essensbeilage.
Gelegentlich fördern die sozialen Medien aber auch Geschichten zutage, die ansonsten wohl für immer verborgen geblieben wären. Geschichten, die davon erzählen, wie der Fußball bereits vor 100 Jahren international war und Menschen aller Schichten und Religionen gleichermaßen bewegte. Geschichten, die uns daran erinnern, dass wir nie aufhören dürfen, uns zu erinnern.
Das Auschwitz Memorial nutzt seine Social-Media-Präsenz, um regelmäßig der Opfer des nationalsozialistischen Vernichtungslagers zu gedenken. Dazu werden Fotos sowie eine kurze Vita veröffentlicht. Vor einigen Tagen stockte einigen Fans des spanischen Erstligisten Real Sociedad San Sebastián der Atem, als sie das Bild des am 21.7.1923 geborenen Jiri Popper betrachteten. Auf dem Kragen des tschechischen Jungen, der zuerst nach Theresienstadt und 1943 von dort nach Auschwitz deportiert wurde, prangt unübersehbar eine Stecknadel mit einem Vereinslogo: dem des baskischen Traditionsvereins.
Aber wie gelangte das Vereinsenblem an die Kleidung eines jüdischen Jungen aus Tschechien? Die sozialen Netze überschlugen sich mit Theorien, bis sich der Verein selbst einschaltete und eine Erklärung veröffentlichte, die äußerst plausibel erscheint und auf ein Gründungsmitglied des DFB zurückführt, das das erste Finale um die deutsche Meisterschaft 1903 gegen den VfB Leipzig bestritt.
Der Deutsche Fußball-Club Prag wurde Ende des 19. Jahrhunderts in der böhmischen Hauptstadt von deutschen Juden gegründet. In den 1920er-Jahren begab sich das Team, das lange als eines der besten des Kontinents galt, auf Europareise und bestritt diverse Freundschaftsspiele. Unter anderem auch am Weihnachtstag 1923 in San Sebastián gegen Real Sociedad. Der DFC gewann mit 3:1 und verlor ein erneutes Duell tags darauf mit 0:3. 1924 tourte wiederum Real Sociedad durch Mitteleuropa. Beim Gegenbesuch endete das Duell zwischen dem baskischen Club und den Pragern mit 11:1 für den DFC.
Die Verantwortlichen von Real Sociedad gehen davon aus, dass während einer dieser Partien Memorabilien ausgetauscht wurden, die schließlich bei den Eltern von Jiri Popper gelandet sein müssen. An dem Tag, als das Foto des Jungen aufgenommen wurde, trug er stolz die Anstecknadel eines Fußballvereins, den er höchstens aus Erzählungen kennen konnte, aber der ihm anscheinend so wichtig war, dass er das Vereinswappen auf dem Foto verewigen wollte.
Jiri Popper überlebte Auschwitz nicht. An seinem 97. Geburtstag erreicht uns jedoch seine unauslöschliche Botschaft, dass unsere Schicksale manchmal viel enger miteinander verbunden sind, als es den Anschein hat.
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