Leicester City mischt die Premier League auf, und die ganze Welt nimmt Anteil daran. Weil die Foxes den Fans etwas geben, was dem normalen Fußball eigentlich abhanden gekommen ist.
Gerade erfreut sich der Hashtag #whenIdidaLeicester auf Twitter großer Beliebtheit. Ins Leben gerufen hat ihn die BBC, User sammeln darunter ihre unglaublichsten Underdog-Geschichten. Das eine Mal, als niemand an mich glaubte, ich aber dann das entscheidende Tor in der Nachspielzeit machte. Damals, als ich gegen alle Widerstände doch erfolgreich war. Als niemand einen Pfifferling auf mich gab, und ich dann trotzdem triumphierte, against all odds.
Der Hashtag hat das Potential, sprichwörtlich zu werden, so wie „einen Jesper Olsen bauen“ oder etwas oder jemanden „zlatanieren“. Denn was in Leicester passiert, ist wohl die erstaunlichste Geschichte, die der Fußball seit langer Zeit geschrieben hat. Und je nachdem, wie diese Saison noch verläuft, könnte es eine der größten im Sport überhaupt werden. In der reichsten, bis unters Dach mit Superstars vollgestopften Liga der Welt, in der Spieler keine Spieler mehr sind, sondern Adidas- oder Nike-Testimonials, in der die Klubs von stinkreichen Oligarchen mit Profilneurose und Profitgier geführt werden, schickt sich gerade eine Ansammlung Ausgemusterter an, einen der unscheinbarsten Klubs der Liga zum Titel zu schießen. Seit Beginn der Saison hält sich Leicester in der Spitzengruppe, 14 Spiele vor Saisonende ist das Team Tabellenführer und hat drei Punkte Vorsprung auf die Verfolger. Das ist in etwa so, als würde in der Bundesliga der FC Ingolstadt voranmarschieren.
Eine perfekte From-Rags-to-Riches-Geschichte
Was die Geschichte so wunderbar macht, ist ihre völlig Unwahrscheinlichkeit. Denn es ist nicht so, als habe der Klub für kurzfristigen Erfolg dreistellige Millionenbeträge in ein mittelmäßiges Team gepumpt, so wie es vor nicht allzu langer Zeit etwa bei Manchester City oder Chelsea geschehen ist, was deren Erfolg naturgemäß mit einem Geschmäckle versieht. Leicester hat nur knapp ein viertel des Geldes für neue Spieler investiert wie der ärgste Konkurrent aus Manchester. Und sich dabei auch eher im unteren Regalboden des Transfermarktes bedient. Spieler wie Christian Fuchs, Robert Huth oder N’Golo Kanté sind während ihrer bisherigen Laufbahn nicht eben als Spitzenspieler aufgefallen. In der Unscheinbarkeit der englischen Midlands hat Trainer Claudio Ranieri, genannt „der Bastler“, diese Gruppe von Mittelkassekickern aber zu einem Spitzenteam geformt, das 90 Minuten lang ackert und verteidigt, um vorne im entscheidenden Moment den Konter zu setzen.
Wie etwa gestern gegen Liverpool, als Jamie Vardy Leicesters 14. Sieg mit einem unglaublichen Distanzschuss auf den Weg brachte. Vardy hat vor drei Jahren noch in der fünften Liga gekickt und sich mit Nebenjobs über Wasser gehalten. Nun bricht er Rekorde und wird vielleicht Torschützenkönig. Das allein macht ihn schon zum perfekten Protagonisten dieser From-Rags-to-Riches-Geschichte. Bisschen Rocky, bisschen Anaheim Mighty Ducks, bisschen Cool Runnings – die Geschichte vom Underdog, der sich unverhofft und gegen alle Widerstände an die Spitze kämpft, wird nie ihren Reiz verlieren. Nur: Üblicherweise ist sie nur eine Geschichte, erzählt von findigen Drehbuch- oder Romanautoren, die genau wissen, wie sie uns packen können. Das, was in Leicester passiert, ist aber ganz und gar echt. Und ebenso unglaublich.
„I did a Leicester“
Und es vermittelt uns Hoffnung. In einer Fußballwelt, in der sich die großen Klubs in der Champions League das fette Geld zuschustern und immer reicher werden. In der die Meisterschaft in den nationalen Ligen bereits im Dezember entschieden ist. In der die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinandergegangen ist, dass kaum ein Mittelklasseklub noch ernsthafte Chancen auf Erfolg hat, gibt uns Leicester neue Hoffnung. Hoffnung darauf, dass dieser Sport nicht doch schon total kaputt ist. Hoffnung darauf, dass es auch die Kleinen noch ganz nach oben schaffen können. Hoffnung auf einen Fußball, der wieder magisch und unvorhersehbar ist.
Und wer weiß, irgendwann in vielen Jahren, werden die Leute vielleicht wirklich wie selbstverständlich sagen: „I did a Leicester“, wenn sie etwas ganz und gar Unwahrscheinliches und Unglaubliches schaffen. Und vielleicht werden sie dann an die magische Saison 2015/16 denken, als der größte Underdog der Premier League am Ende den Titel holte, against all odds.