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Das sind Gefühle, wo man schwer beschreiben kann!“, jauchzte der Stürmer in die Mikro­fone. Soeben hatte seine Mann­schaft etwas Großes geleistet, in einem unglaub­lich span­nenden Spiel, mit noch unglaub­li­cheren Emo­tionen. So viel Adre­nalin, so viel ver­lo­rene Energie, so viele Glücks­hor­mone, ver­mischt zum ganz großen Gefühls­chaos. Der Stürmer war Jürgen Klins­mann und seine Mann­schaft war gerade Euro­pa­meister 1996 geworden.

Das sind unglaub­liche Emo­tionen“

Nun lässt sich eine gewon­nene Euro­pa­meis­ter­schaft nicht mit dem durch die Rele­ga­tion erzwun­genen Klas­sen­er­halt ver­glei­chen. Eigent­lich. Für Fuß­baller, die gerade erst diese emo­tio­nale Grat­wan­de­rung zwi­schen Ret­tung und freiem Fall über­standen haben, macht das in den Minuten nach dem Schluss­pfiff aber keinen Unter­schied.

Pierre-Michel Lasogga fasste das im Field-Inter­view dann auch dem­entspre­chend zusammen: Ich bin ein­fach voller Adre­nalin. Wir haben zwar keine Meis­ter­schaft gewonnen, aber das sind unglaub­liche Emo­tionen.“ Lasogga hatte mit seinem Kopf­balltor in der 14. Minute den Grund­stein für das 1:1‑Unentschieden gegen die SpVgg Greu­ther Fürth und den damit ver­bun­denen Klas­sen­er­halt gelegt. Es war sein 14. Tor im 22. Spiel für den HSV – sta­tis­tisch gesehen ist er damit der beste Angreifer in der Geschichte der Unab­steig­baren aus Ham­burg. Viel­leicht war das Rück­spiel der Rele­ga­tion sein letztes Spiel für den HSV, Lasogga ist nur aus­ge­liehen und steht bei Hertha BSC unter Ver­trag. Der bul­lige Angreifer hatte also allen Grund, nach dem Schluss­pfiff am Rad zu drehen.

Die Bums­be­we­gung“

Wie er das dann tat, war aller­dings mehr als pein­lich. Mit weit auf­ge­ris­senem Mund stürmte Lasogga auf die Bank der Für­ther zu, brüllte Unver­ständ­li­ches und pro­vo­zierte im Vor­bei­laufen mit einer Geste, die in Fach­kreisen als Bums­be­we­gung“ bekannt ist. Mit anderen Worten: Lasogga nutzte den Moment des großen Glücks­ge­fühls, um dem geschla­genen Gegner noch einmal zu zeigen, dass er es ihnen so richtig besorgt hatte.

Das war nicht nur sehr unan­ge­nehm, son­dern auch extrem unsport­lich. Bei­nahe hätte der Stürmer damit eine Mas­sen­prü­gelei aus­ge­löst, der ener­gi­sche Pro­test der Für­ther verlor sich dann aber glück­li­cher­weise im Tohu­wa­bohu der Ham­burger Fei­er­lich­keiten. ARD-Reporter Alex­ander Bommes gab Lasogga im anschlie­ßenden Inter­view die Mög­lich­keit zur Ent­schul­di­gung, doch der HSV-Mann war eben noch voller Adre­nalin“ und ließ die Gele­gen­heit ver­strei­chen: Wenn man 90 Minuten belei­digt wird von der Bank, dann ist es ein­fach Genug­tuung, dann ist mir alles scheiß­egal.“

Typ: Kommt eher über die Emo­tionen“

Alles in allem hin­ter­lässt Lasoggas Ver­halten einen bit­teren Bei­geschmack auf die Ret­tung des HSV und fasste für einen kurzen Moment all die Häss­lich­keit dieser Ham­burger Bun­des­li­ga­saison zusammen. Aller­dings gibt es ver­schie­dene Fak­toren, die Lasoggas Unsport­lich­keit viel­leicht nicht recht­fer­tigen, aber ver­ständ­li­cher machen. Der Mann ist erst 22, dazu ein Spieler, den der Fuß­ball-Jargon gerne mit Kommt über die Emo­tionen“ ein­sor­tiert. Schon beim Hin­spiel schien das Adre­nalin aus Lasoggas Augen zu spritzen, nach jeder halb­wegs gefähr­li­chen Aktion im Straf­raum pushte er sich und das Publikum mit wilden Gesten nach vorne. Solche Wahn­sin­nigen braucht es eben, wenn man auf Teufel komm raus den Abstieg ver­meiden will. Hinzu kommt, dass alle Spieler und Ver­ant­wort­li­chen beim HSV aus nach­voll­zieh­baren Gründen unter immensem Druck standen. Und sollte Lasogga tat­säch­lich kon­se­quent von der Für­ther Bank pro­vo­ziert worden sein, so war sein Racheakt nach dem Spiel zwar immer noch unsport­lich, dafür aber sehr mensch­lich.

Wer noch nie in einer sport­li­chen Extrem­si­tua­tion war wie Lasogga am gest­rigen Abend (dazu gehört auch der Autor dieser Zeilen), der wird ver­mut­lich eh nicht ange­messen nach­voll­ziehen können, was sich da im Kopf des Stür­mers abspielte. Jürgen Klins­mann hatte schon recht: Das sind Gefühle, wo man nicht beschreiben kann. Oder, wie in Lasoggas Fall: Gefühle, wo man schwer schweigen kann.