Leverkusens Roger Schmidt beleidigt den gegnerischen Trainer. Nun droht eine lange Sperre. Viel schlimmer wiegen Bayers Fehltritte nach dem Spiel.
Verschwörungstheoretiker haben momentan großen Zulauf. In Leverkusens Stadion wurden bisher zwar wenig Aluhüte gesichtet, dennoch scheint sich hier eine resolute Bewegung zu formieren. Ältere Herrschaften mit grauen Locken echauffieren sich allwöchentlich vor den Mikrofonen, auch Männer mittleren Alters sehen sich als Opfer der Eliten.
Sie wittern das große, weltumspannende Bündnis gegen Bayer Leverkusen: Es besteht demnach aus Schiedsrichtern, dem DFB, den TV-Anstalten des Landes und höchstwahrscheinlich noch den internationalen Nachrichtendiensten.
„Meinst du, du hast den Fußball erfunden?“
Leverkusens Trainer Roger Schmidt missfiel am Samstag die Aufregung seines Hoffenheimer Kollegen Julian Nagelsmann nach einem Zweikampf. Er rief ihm zu: „Gar nichts war das. Was bist du denn für ein Spinner? Halt doch einfach die Schnauze. Meinst du, du hast den Fußball erfunden? Setz dich auf deinen Arsch.“ Die Außenmikrofone des TV-Senders nahmen Schmidts Suada auf. Der Schiedsrichter verwies ihn auf die Tribüne. Erst im März war Schmidt vom DFB für fünf Spiele gesperrt worden, nachdem er sich geweigert hatte, seinen Platz am Spielfeldrand zu verlassen.
Für Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler war die Injurie ein ganz normaler Umgangston, außerdem sei Nagelsmann auch vorher wie ein „HB-Männchen“ aufgesprungen. Völler, selbst diplomierter Experte für HB-Männchentum, wetterte: „Das passiert überall. Bei uns wird aber genau hingehört und dann auch reagiert.“ Er kritisierte neben dem Unparteiischen auch gleich die TV-Sender für ihre Aufzeichnung mit. Roger Schmidt selbst stimmte ein: „Der Schiedsrichter hat die Gelegenheit angenommen, mich auf die Tribüne zu schicken.“
Kurz übersetzt: Die anderen haben angefangen! Immer werden nur wir bestraft!
Ganz egal wie Schmidt und Völler sonst miteinander umgehen, ob sie sich als „Spinner“ begrüßen, „Mistkäsescheiße“-Reden rezitieren oder sich Tiernamen geben – im Maßstab der gängigen Umgangsformen steht fest: Schmidt hat Nagelsmann beleidigt. Und wenn ein Schiedsrichter Beleidigungen hört, ob gegen ihn, gegen gegnerische Trainer oder Mitspieler, dann spricht er nun einmal Platzverweise aus.
Der DFB bestraft dies dann im Nachgang. So geschieht es übrigens nicht nur bei Bayer Leverkusen. Freiburgs Christian Streich musste erst auf die Tribüne und dann zahlen, weil er die gegnerische Trainerbank „Schweine“ genannt hatte. Kölns Jörg Schmadtke wurde für die Schmähung „Eierkopp“ zur Kasse gebeten.
Anschuldigungen statt Entschuldigungen
Der DFB wird Roger Schmidt nun wieder sperren, wohl länger als üblich, da er „unter Bewährung“ stand. Auch das wäre ein normaler Vorgang, Wiederholungstäter bei Platzverweisen müssen auch länger zuschauen. Schmidt hat sich trotz Verwarnung einen Fehler geleistet, „ein dämliches Foul“ würde man es auf dem Platz nennen. Mehr ist eigentlich nicht passiert, für Hoffenheims Trainer Nagelsmann war die Geschichte mit dem Abpfiff erledigt. Passiert schon mal.
Viel schlimmer wiegt aber, dass die Leverkusener nicht nur während des Spiels im Eifer des Gefechts schlechten Stil bewiesen, sondern auch danach. Kein Wort des Bedauerns in den Statements, statt Entschuldigungen gab es nur Anschuldigungen, wir gegen „die da oben“. Bayer Leverkusen sollte sich schnell von der Opferrolle lösen. Denn neben der Causa Schmidt würde ihnen Selbstkritik gut tun, wenn sie sich um ein schwerwiegenderes Thema kümmern: Warum hat eine so hoch veranlagte Mannschaft schon die Hälfte ihrer Spiele verloren?