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Das Erste, was man erblickt, wenn man am Bahnhof Zoo aus der S‑Bahn steigt, sind zahl­reiche Poli­zisten in voller Kampf­montur. Die Ein­satz­kräfte scheinen ange­spannt, denn um 15 Uhr haben sich Fans von Hertha BSC vor dem Bahnhof ver­sam­melt. Ihr Ziel: Anhänger des 1. FC Union Berlin blo­ckieren. Diese hatten es fre­cher­weise gewagt, einen Treff­punkt im Westen der Stadt zu ver­ein­baren. Mitten im Hertha-Bezirk Char­lot­ten­burg, vor der Kaiser-Wil­helm-Gedächt­nis­kirche. Manche Dinge lassen wir uns nicht nehmen!“, stand auf einem Flyer der Hertha-Fans. Die Stim­mung vor dem Berlin-Derby wurde im Bou­le­vard und den sozialen Medien ordent­lich ange­heizt.

Die Polizei beschützt den Hertha-Fan­shop

Bei einem Auf­ein­an­der­treffen der Fan-Grup­pie­rungen erwar­teten viele, dass es kracht. Die Polizei stufte die Partie im Vor­feld als Hoch­ri­si­ko­spiel ein, die Fan-Gruppen sollten streng getrennt werden. Die gesamte Haupt­stadt blickte vor dem Derby elek­tri­siert auf die erwar­teten Kra­walle rund um den Breit­scheid­platz. Tages­spiegel“ und BZ“ berichten per Live­ti­cker.

Trifft man so ange­heizt gegen 16 Uhr am Kur­fürs­ten­damm ein, bleibt es nicht lange warm. Nach der ange­kün­digten End­zeit-Stim­mung vor dem großen Berlin-Derby pas­siert: Nichts. Die Tem­pe­ratur pen­delt sich auf gefühlte zehn Grad Minus ein und Bier hilft nicht gegen Kälte. Ein paar hun­dert Unioner frieren gemeinsam mit der Polizei. Von Kra­wallen keine Spur, eine Wanne“ schützt sogar den Hertha-Fan­shop im Europa-Center. Von den rund 400 Meter ent­fernten Her­tha­nern ist am Breit­scheid­platz nichts zu hören, nichts zu hören. Und so stehen sich die getrennten Fan­gruppen zusammen mit der Polizei die frie­renden Füße in den Bauch.

Bier­dunst und Cham­pa­gner

Einzig die Fans des Sechst­li­gisten Tennis Borussia Berlin haben es an diesem Nach­mittag schön warm. Auch sie wollen im Berlin-Derby mit­mi­schen und haben im Vor­feld ein eigenes Flug­blatt ver­öf­fent­lich. Wie bei der Hertha hieß es da: Manche Dinge lassen wir uns nicht nehmen!“ Damit meinten sie nicht etwa den Westen der Stadt, son­dern die Cham­pa­gner-Theke des Luxus-Kauf­hauses KaDeWe“, wo sich der TeBe“-Anhang spa­ßes­halber zum Cham­pa­gner­schlürfen traf.

Die Nach­richt von den TeBe“-Fans macht schnell die Runde. So´n Fuchs­mantel aus´m KaDeWe wär jetz´ ooch nich´ schlecht!“, sagt einer. Dann zündet er eine Ben­gal­fa­ckel zum Auf­wärmen an. Schwe­fel­ge­ruch ver­mengt sich mit Bier­dunst. Langsam ist der Breit­scheid­platz mit Scherben und Bier­fla­schen übersät. Die Char­lot­ten­burger sollen auf­räumen“, stellt ein Union-Fan klar und wirft seine Fla­sche hinter sich. Die Atmo­sphäre ist ange­sichts der Tem­pe­ra­turen erstaun­lich aus­ge­lassen. Irgend­je­mand hat es fertig gebracht, ein Banner am Bau­ge­rüst der Gedächt­nis­kirche zu hissen. Auf dem Banner steht Berlin ist Rot-Weiß“. Jubel. Der Sicher­heits­dienst ent­fernt das Plakat erst nach Minuten.

Bei den am Har­den­berg­platz von der Polizei ein­ge­kes­selten Hertha-Fans ist die Stim­mung laut Live­ti­cker des Tages­spie­gels“ schlechter: Die Hertha-Fans haben weniger Bewe­gungs­frei­heit, zünden einige Böller und beschimpfen in Sprech­chören die Polizei. Doch die Kälte tut ihr Übriges: Wäh­rend die Unioner zum Auf­wärmen immer wieder in das Europa-Center gehen, machen sich die Her­thaner bereits drei Stunden vor Anpfiff mit der U‑Bahn auf den Weg zum Olym­pia­sta­dion.

Gegen 18 Uhr bricht auch die ver­sam­melte Anhän­ger­schaft von Union end­lich in Rich­tung Bahnhof Zoo auf. Laut­stark tönt ein Lob­lied auf die Alte Förs­terei durch die gesperrten Stra­ßen­schluchten. Und: Nur zu Hertha gehen wir nicht“. Ein Union-Fan pin­kelt im Über­schwang an einen ungünstig abge­stellten Mann­schafts­wagen. Schöne Grüße an Hertha-Edelfan Frank Zander.

Büro­hengste drü­cken sich an den Fens­tern die Nasen platt

Als der Fanzug ein großes Gebäude mit Fens­ter­fas­sade pas­siert, drü­cken sich Büro­hengste die Nasen an den Fens­tern platt. An der Fress­meile vor dem Bahnhof-Zoo ver­kös­tigen ein paar Fans Glut­amat-schwan­gere Asia-Nudeln im Papp­be­cher, andere klauen ein paar Stühle vom Außen­be­reich eines Restau­rants und skan­dieren vor einer Poli­zei­sperre Aus­wärts­stuhl! Aus­wärts­stuhl!“. Die Poli­zisten kas­sieren den Stuhl humorlos ein.

Ein kleiner Tross Union-Fans drängt noch schnell zum Fein­kost Ull­rich“, einem Super­markt, der auf­grund seiner boden­stän­digen Kund­schaft berühmt-berüch­tigt und tra­di­tio­nell feste Zwi­schen­sta­tion für das nächste Weg­bier“ von Ber­liner Nacht­schwär­mern ist. Die­je­nigen, die sich dort noch schnell ein Bier kaufen, finden sich kurz darauf in Gefan­gen­schaft wieder: Die Polizei rie­gelt rigoros sämt­liche Türen des Super­markt ab, um die Fans am Fein­kost Ull­rich“ vorbei zu schleusen. Die Steh­ti­sche der kleinen Super­markt-Bäckerei werden kur­zer­hand zu Knei­pen­ti­schen umfunk­tio­niert. Ein junger, leicht pani­scher Poli­zist schreit einen ver­dutzten älteren Herren an, der eigent­lich nur seinen Ein­kauf nach Hause bringen will: Hier geht´s nicht raus!“

Abreise fried­li­cher als erwartet“

Fünf Minuten später beru­higt sich die Lage, die ein­ge­schlos­senen Shopper und Union-Fans dürfen zur S‑Bahn. Einige Hertha-Fans, die auf dem Weg zur S‑Bahn aus der Filiale einer Burger-Kette zu den Union-Fans stoßen, sind auch im Zug. Kein Pro­blem, Schmäh­ge­sänge, mehr nicht.

Ange­kommen im Olym­pia­sta­dion feinden sich die beiden Fan­lager wieder nach­hal­tiger an. Aller­dings bleiben die Gra­ben­kämpfe auf ver­bale Schar­mützel beschränkt und finden in sicherer Ent­fer­nung der rie­sigen Beton­schüssel statt. Die abs­trakten kleinen Ameisen am anderen Ende des Sta­dions werden wäh­rend des Spiels zur Ziel­scheibe von viel­sei­tigen Pro­vo­ka­tionen, aber nachdem das Spiel mit einem dees­ka­lie­renden 2:2 geendet ist, begeben sich Fans beider Seiten ent­spannt nach Hause. Es ist Mon­tag­abend, 23 Uhr. Im Poli­zei­be­richt heißt es: Abreise fried­li­cher als erwartet und geordnet“. Auf dem Heimweg ist ein Wer­be­plakat einer Ber­liner Brauerei zu sehen. Der Slogan bringt es auf den Punkt: Dit schöne is´: Wenn Berlin jejen Berlin spielt, jewinnt nich´ Cottbus.“