Juventus steckt in einer tiefen Krise. Und die Fans attackieren vor allem einen Spieler: Kapitän Leonardo Bonucci. Über einen Streit, der den Verein vor die Zerreißprobe stellt.
Wie auf einem mittelalterlichen Marktplatz stellten sich die Spieler von Juventus Turin selbst an den Pranger, als sie am vergangenen Sonntag in der Kurve den mitgereisten Fans entgegentraten. Gerade hatte der italienische Rekordmeister gegen den Aufsteiger AC Monza verloren, der Neuling feierte seinen ersten Sieg überhaupt in der Serie A. Juves Spieler dagegen setzten sich dem Zorn der eigenen Anhänger aus. Wütend gestikulierten diese oder beklatschten höhnisch den blutleeren Auftritt ihres Teams. Minutenlang verharrten die Spieler gedankenversunken und mit betroffener Miene. Angeführt wurden die Spieler von Kapitän Leonardo Bonucci. Und obwohl der 35-Jährige mit dem Gang in die Kurve Verantwortung demonstrieren und Führungsstärke beweisen wollte, brachte er die Fans der „Alten Dame“ nur noch mehr gegen sich auf.
Denn genau das sprechen die Fans Bonucci ab. „Bonucci war nie ein Anführer und wird es auch nie sein: Weder in Treviso, noch in Pisa, noch in Bari, noch in Mailand und ganz sicher nicht bei Juventus“, schreiben die Ultras von „Viking Drughi e Nord Est“ in einer Mitteilung, die sie nach der Niederlage in Monza veröffentlichten. „Profispieler wie Opferlämmer in die Kurve zu schicken, während sie verhöhnt und beleidigt werden, und den Protesten nur einen Monat nach Saisonbeginn Legitimität zu verleihen, ist schlichtweg absurd“, schrieben die Fans weiter. Denn aus Sicht der Anhänger seien eher Präsident Andrea Agnelli und Geschäftsführer Maurizio Arrivabene verantwortlich für den Misserfolg, wie aus der Mitteilung hervorgeht. „Wenn wir Ihnen etwas zu sagen hätten, hätten wir es am Trainingsgelände getan und Ihnen in die Augen gesehen, wie wir es in der Vergangenheit immer getan haben, nicht auf dem Spielfeld“, erklärten die Ultras.
Beim Aufsteiger Monza, das Silvio Berlusconis Unternehmen Fininvest gehört, sah Ángel Di María bereits in der ersten Hälfte eine Rote Karte. Er rammte Gegenspieler Armando Izzo ohne Vorwarnung den Ellenbogen in die Rippen, während der Unparteiische nur wenige Meter daneben stand. Es sind Vorfälle, die zeigen, wie sehr die Nerven bei Juventus blank liegen. Offensichtlich nicht nur auf dem Platz, sondern auch bei den Anhängern. Ob mit oder ohne Gang der Spieler in die Kurve: Die Geduld der Fans ist nach sieben Spielen mit nur zehn Punkten und Platz 8 aufgebraucht. Was läuft in Turin falsch?
Altstar Bonucci ist bereits durch seinen Wechsel zur AC Mailand 2017 bei den Juve-Fans in Ungnade gefallen. Auch wenn er ein Jahr später zurückkehrte, haben die Anhänger seinen Abgang nicht vergessen. Eine Tatsache, die auch Bonucci weiter beschäftigte. Denn 2020, als Manchester City und Pep Guardiola den Innenverteidiger verpflichten wollten, blieb Bonucci Juventus erhalten. „Ich wollte etwas davon wiedergutmachen, was ich an Anerkennung wegen des Wechsels zu Milan verloren hatte.“ Den „Viking Drughi e Nord Est“ reichte das neben seinen anschließenden Verdiensten mit zwei Meisterschaften und einem Pokalsieg offensichtlich nicht aus. Die aktuelle Misere des Rekordmeisters kann derweil auch ein gleichermaßen erfahrener wie erfolgreicher Mann wie Bonucci nicht erklären.
Die Saison begann noch recht ordentlich in Turin. Zwei Siege und zwei Remis lauteten die Resultate der ersten vier Partien in der Liga. Doch im September konnte Juve nicht mehr gewinnen: Zwei Unentschieden in der Liga gegen Florenz und Salerno (nach 0:2 zur Pause) wechselten sich mit zwei 1:2‑Niederlagen in der Champions League gegen Paris Saint-Germain und Benfica Lissabon ab – gefolgt vom 0:1 in Monza. Nach der Niederlage gegen Benfica wirkte Abwehrchef Bonucci ratlos. „Ich mache mir große Sorgen. Leider haben wir diese Tendenz, uns während der Spiele zu verirren. Ich weiß nicht, warum das passiert, und das macht mir am meisten Sorgen“, sagte der 35-Jährige Amazon Prime Video Italia.