Vincenzo Grifo spielt beim SC Freiburg – zum dritten Mal. Warum Treue für ihn so ein große Rolle spielt, was die Pforzheimer Kanaken damit zu tun haben und weshalb er früher jeden Tag Videos von Hakan Çalhanoğlu geschaut hat, hat er uns im April erzählt.
Am gefährlichsten ist der Sportclub, wenn Sie zur Ecke oder zum Freistoß anlaufen. Einen haben Sie direkt verwandelt. Wie schießt man den perfekten Freistoß?
Viel passiert im Kopf. Wenn ich mir den Ball nehme, denke ich: Den knall ich rein. Ich funktioniere dann wie ein Ballerspiel an der Konsole. Mein Kopf färbt die Mauer rot und die Bereiche, wo der Ball hin könnte, grün. Dorthin steuere ich das Fadenkreuz. Meist spüre ich dann, ob was gehen könnte.
Schauen Sie Videos?
Früher jeden Tag. Juninho, Ronaldinho, Pirlo, Hakan.
Calhanoglu?
Ja. Aber der schießt zum Beispiel ganz anders als ich, das musste ich lernen. Ich kann nicht einfach Hakan kopieren, mir liegt eine andere Technik besser. Der schießt mit dem oberen Spann, der Ball flattert und hat kaum Rotation. Ich schieße mit dem Innenspann und mit Zug. Zweieinhalb Schritte Anlauf, recht direkt zum Tor, nicht abgewinkelt wie Beckham. Eher Messi-Style, nur fester. Ich übe das, seit ich denken kann. Nach jedem Training mindestens eine Viertelstunde, oft länger.
In Ihrer Heimat Pforzheim erzählt man sich, Sie hätten das früher schon trainiert. Als kleiner Junge auf dem Bolzplatz.
Wenn wir Ferien hatten, sind wir um 8 Uhr aufgestanden. Mama hat für mich und meine zwei Brüder, Pino und Francesco, Frühstück gemacht, dann sind wir los. Bis 21 Uhr waren wir auf dem Bolzplatz, ohne zu essen. Wir haben uns einen Sechserpack Eistee geholt, jeder musste 50 Cent geben. Die Flaschen haben wir neben das Tor gestellt. Der Platz war knallvoll: 30 Leute, sechs Fünferteams. Alles, was in Pforzheim Rang und Namen hatte, war da.
Haben Sie da gemerkt, dass Sie besser sind als die anderen?
Mein Bruder hat das gemerkt, Francesco. Er hat mich immer bei den Großen kicken lassen. Das war krass: als 13-Jähriger gegen die 18-Jährigen. Körperlich hatte ich keine Chance, ich musste mir anders helfen. Beim Training im Verein habe ich mich dann gewundert, warum die anderen schwächer waren. Ich habe Francesco viel zu verdanken.
Ihr Team war stadtbekannt: die Grifos und andere italienische Hochkaräter, zum Beispiel Marcelo Campisi. Der soll ebenso begabt gewesen sein. Was hatten Sie, was den anderen fehlte?
Ich war wahnsinnig. Keiner kann sich vorstellen, was für eine Gier ich hatte. Nach so einem Bolzplatztag sind meine Brüder am nächsten Tag aufgestanden und haben gestöhnt, wie sehr alles weh tut. Ich bin joggen gegangen.