Vincenzo Grifo spielt beim SC Freiburg – zum dritten Mal. Warum Treue für ihn so ein große Rolle spielt, was die Pforzheimer Kanaken damit zu tun haben und weshalb er früher jeden Tag Videos von Hakan Çalhanoğlu geschaut hat, hat er uns im April erzählt.
Sie waren nie auf einem Fußballinternat.
Nach der Schule habe ich eine Lehre als Kfz-Mechatroniker gemacht. Ich hab von 8 bis 16 Uhr dort gearbeitet. Um 16:16 Uhr kam mein Zug, um 17:30 Uhr wurde ich am Bahnhof Karlsruhe vom KSC abgeholt, um 18:15 Uhr begann das Training, um 20 Uhr waren wir fertig. Der Zug nach Hause ging um 21:11 Uhr. Die Zeiten weiß ich noch genau, weil ich das täglich gemacht habe. Um 22:30 Uhr war ich dann zu Hause. Da waren meine Eltern schon fix und foxi und haben gepennt. Mama hatte mir in der Küche was zu essen bereit gestellt, das habe ich verschlungen. Und danach bin ich oft noch eine Runde zum Laufen in den Wald gegangen.
Mit Gewichten an den Füßen …
Manchmal wirklich! Mein großer Bruder lag im Bett und hat gefragt: Spinnst du eigentlich? Das war mir egal. Papa und Mama haben gar nichts gemerkt, die mussten um 5 Uhr aufstehen.
Ihr Vater kam als Gastarbeiter aus Sizilien nach Pforzheim. Wie war die Stimmung daheim?
Ich hatte eine wahnsinnig glückliche Kindheit. Meine Eltern haben alles für mich gemacht. Klar, wir hatten nicht viel. Wir drei Jungs haben zu dritt in einem Zimmer geschlafen. Wir mussten auf unser Geld aufpassen. Als Papa aus Naro nach Deutschland kam, hatte er fast nichts. Er arbeitet jetzt seit 30 Jahren in derselben Firma, die stellen Autoteile her. Mama ist in einem Büro tätig. Zu Hause lief der Fernseher auf Italienisch.
Drei Brüder in einem Zimmer.
Wenn der eine Playstation spielen wollte, musste der andere halt mal kurz Pause machen. Klar, da flogen die Fetzen. Aber Familienbande stehen für uns über allem.
Bevor Sie zum KSC gingen, kickten Sie beim CFR Pforzheim. An eine Saison müssten Sie sich besonders erinnern.
In der A‑Jugend hab ich in einer Saison 53 Tore gemacht. Im Pokalhalbfinale haben wir gegen Hoffenheim gespielt, mit Davie Selke, Jonas Hofmann, Niklas Süle. Gegen uns, die Pforzheimer Kanaken. Da kriege ich heute noch eine Gänsehaut.
Was ist passiert?
Wir haben in einem Kaff nahe Pforzheim gespielt, Neibsheim bei Bretten. Der Sportplatz war rammelvoll. Ungelogen! Da waren 250 Pforzheimer allein wegen mir. Alle meine Jungs, die Familie sowieso. Die Stimmung war bombastisch, alle waren am Ausrasten. Wir lagen 0:2 hinten, haben das 2:2 gemacht, das 3:2, die machen das 3:3, das 3:4, dann schießen wir kurz vor Schluss das 4:4. Ich habe drei Buden gemacht und eine vorbereitet, an dem Tag hat alles geklappt. Nach dem Ausgleichstor hab ich mein Trikot ausgezogen.