Kaum zu glauben, aber auch Gary Lineker wird älter. Vor 60 Jahren kam er zur Welt – und vor 34 Jahren feierte er seine zweite Geburt.
Lineker wurde bei der WM mit sechs Treffern Torschützenkönig. Und er blieb kein One-Hit-Wonder wie Toto Schillaci oder Oleg Salenko, zwei andere WM-Torschützenkönige, die nach den Turnieren nie mehr so gut waren. Lineker brillierte auch in seinen Vereinen. Er machte keine Traumtore, er machte Strafraumstürmertore. Er stand sehr oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Allerdings spielte er oft zur falschen Zeit beim falschen Verein. Für Leicester City, damals eine Fahrstuhlmannschaft zwischen der First und Second Division, machte er 216 Partien und traf 103 Mal. Er wechselte vor der Saison 1985/86 zum Meister FC Everton und wurde mit 30 Treffern Torschützenkönig. Den Titel aber holte Liverpool. Zur Saison 1986/87 ging Lineker zum FC Barcelona. In der Saison wurde Everton wieder Meister.
Auch bei den Katalanen spielte er oft überragend, in seiner ersten Saison traf er 22 Mal, gegen Real Madrid gelang ihm ein Hattrick. Aber es war nicht die beste Zeit des großen Klubs. In den drei Lineker-Jahren wurde Barca zweimal Vizemeister und einmal Sechster. Im Uefa-Cup schied das Team gegen Dundee United aus. Immerhin gewann Barca die Copa del Rey und den Europapokal der Pokalsieger. Lineker ging 1989 zurück nach England und holte mit Tottenham immerhin den FA Cup. Und klar, für Barcelona begann nach Linekers Weggang eine goldene Ära mit vier Meisterschaften in Folge und dem Landesmeister-Cup.
„Ich wollte dem gegnerischen Team für das Tor applaudieren“
Die Bilanz von Lineker sieht also so aus: drei Pokaltitel, keine Meisterschaft, keine WM, keine EM. Eine eher mittelmäßige Ausbeute für einen der besten Stürmer der Welt. Vergleichbar mit Socrates, dem besten brasilianischen Mittelfeldspieler der Achtziger, der nie große Titel gewinnen konnte. Oder Stanley Matthews, Legende des Blackpool FC, der ebenfalls nie Meister wurde.
Ashley Cole und Gary Lineker unterwegs als Experten von „Match of the Day“
Heute wird Lineker 60 Jahre alt. Er sieht blendend aus, wie eine Mischung aus Talkshow-Moderator und Schauspieler, der sowohl in französischen Autorenfilmen als auch in Hollywood-Blockbustern mitspielen könnte.
Verbittert war er übrigens nie. Seine wenigen Pokale kommentierte er stets nonchalant und mit der linekerschen Selbstironie. Und vergangene Woche, als Maradona starb, schwärmte er von dessen Liebe und Hingabe zum Fußball. Auch von dem Jahrhunderttor, das Maradona im WM-Viertelfinale 1986 gegen Linekers Engländer erzielt hatte. Es war keine Mr-Nice-Guy-Freundlichkeit, es waren keine Über-die-Toten-soll-man-nur-gut-sprechen-Floskeln. Lineker war immer schon ein großer Bewunderer Maradonas gewesen. Er hatte diesen Treffer immer schon in seinem Herzen gehabt, obwohl sein Team dadurch ausgeschieden war. „Klar, die Hand Gottes, das war eine Lüge. Aber dieses zweite Tor, das war der Wahnsinn. Nie war ich so knapp davor, einer gegnerischen Mannschaft für ein Tor zu applaudieren.“