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Spä­tes­tens beim Wech­seln der Ton­spur auf Sky wird einem bewusst, dass die Illu­sion nicht funk­tio­niert. Der Bezahl­sender bietet den Kunden für den Restart einen Audio­kanal an, der die Geräusch­ku­lisse eines voll­be­setzten Sta­dions sug­ge­riert. Wäh­rend sich die Bayern aus­wärts in Berlin im Mit­tel­feld die Bälle zuschieben, erschallt aus der Kon­serve Eisern Union! Eisern Union!“ Ange­sichts der leeren Ränge auf den Tri­bünen dahinter kommt einem dieser Move aber etwas gru­selig vor und schnell schaltet man zurück in die triste Wirk­lich­keit mit ihren laut plop­penden Bällen beim Abspiel und den Rufen der Akteure, die im weiten Rund und aus den Tiefen der Tra­versen wider­hallen.

An die Plas­tik­la­cher bei US-Sit­coms haben wir uns gewöhnt, schließ­lich ist jedem von uns bewusst, dass Al Bundy oder Charlie Harper nur Kopf­ge­burten von ein paar lus­tigen Autoren sind. Doch die Fas­zi­na­tion des Fuß­balls besteht nun mal in seiner Echt­heit, seiner all­um­fas­senden Unbe­re­chen­bar­keit, die sich nicht scripten lässt.

Nach dem ersten Geis­ter­spiel-Wochen­ende in der Bun­des­liga hat nun aber auch der Letzte ver­standen: Die Pro­fi­fuß­ball-Rea­lität in Corona-Zeiten ist die pure Ödnis, die sich nicht durch Tech­nik­kniffe wie eine Sta­di­onatmo-Ton­spur kaschieren lässt. Es ist müßig dar­über zu dis­ku­tieren, ob Schalke 04 sich beim Revier­nach­barn derart hätte abfer­tigen lassen, wenn der königs­blaue Anhang mit­ge­reist wäre. Oder ob Borussia Mön­chen­glad­bach in Frank­furt drei Punkte abge­holt hätte, wenn Emo­tionen aus dem Rund auf den Rasen geschwappt wären: Dieser Spieltag hat bewiesen, dass die Bun­des­liga in leeren Sta­dien zu einer bloßen Kulisse erstarrt, die keine Pro­jek­tionen mehr ermög­licht. Vor dem Fern­seher hatte man zeit­weise das mul­mige Gefühl, das Truman Bur­bank alias Jim Carrey in dem Film Truman Show“ beschleicht, wenn in der heilen Welt, durch die er tag­täg­lich fla­niert, neben ihm plötz­lich ein Schein­werfer zu Boden fällt. Es war, als würde sich beim Blick auf die Matt­scheibe eine Tür öffnen, man tritt hinaus und erkennt schlag­artig: Ach, du liebe Zeit! Alles nur Quatsch! Fuß­ball ist ja gar nicht so geil!

Thomas Müller fühlt sich wie bei den Alten Herren”

Eine wun­der­bare Illu­sion, die gänz­lich ihrer Wir­kung beraubt ist. Die rhe­to­ri­schen Bilder von Wolff-Chris­toph Fuss, die auch im aus­ver­kauften Cham­pions-League-Halb­fi­nale nicht immer ganz gerade sind, aber doch far­ben­froh den fei­er­li­chen Anlass kom­plet­tieren, wirken jäh­lings fehl am Platz, seine gepressten Tor-Schreie regel­recht aus der Zeit gefallen. Fuss‘ Kom­men­ta­toren-Kol­legen teilen wäh­rend ihrer Repor­tagen wie­der­holt mit, dass sie sich an die Stim­mung auf einer Bezirks­sport­an­lage erin­nert fühlen, was beson­ders seltsam rüber­kommt, wenn man die Stim­mung aus der Kon­serve ein­ge­schaltet hat. Wie aber soll das das Ganze auch funk­tio­nieren, wenn selbst ein Profi wie Thomas Müller, der im hohen Maße von seiner Intui­tion lebt, nach dem Aus­wärts­sieg bei Union fest­stellt, es habe sich ein biss­chen ange­fühlt, wie bei den Alten Herren“?

Am Wochen­ende hat sich vor unser aller Augen die end­gül­tige Ablö­sung des Pro­fi­be­reichs vom Volks­port Fuß­ball voll­zogen. Die Bun­des­liga hat sich als Unter­hal­tungs­kon­zern selb­ständig gemacht und prä­sen­tiert ihr Pro­dukt bis auf wei­teres in der kli­ni­schen Labor­ku­lisse men­schen­leerer Arenen. Die Ein­künfte der Klubs durch Fern­seh­gelder ent­spre­chen rund zwei Drit­teln der Gesamt­ein­nahmen. Die Liga zeigt uns, dass sie nicht nur spielen muss, wenn sie ihr wirt­schaft­li­ches Niveau halten will, son­dern auch ohne Sta­di­on­be­su­cher spielen kann, wenn es die Umstände erfor­dern. Nun liegt es an uns zu ent­scheiden, wie attraktiv wir diese neu­ar­tige Form der Bun­des­liga-Show finden und ob wir unter diesen Vor­zei­chen bereit sind, wei­terhin unsere Frei­zeit, unser Geld und unsere Lei­den­schaft in dieses Enter­tain­ment­be­trieb zu inves­tieren.

Da müssen wir wohl durch

Trotz des kat­atro­phalen Unter­hal­tungs­werts darf nicht uner­wähnt bleiben, dass sich zum jet­zigen Stand zumin­dest das Hygie­ne­kon­zept der DFL als trag­fähig erwiesen hat. Abge­sehen von ein paar heiß­blü­tigen Hertha-Akteuren, die sich – offenbar über­rascht von der Leich­tig­keit ihrer Tor­er­folge in Sins­heim – um den Hals fielen, waren sich die Profis ihrer Vor­bild­funk­tion bewusst. Und nach den Pannen im Vor­feld mit dem Kalou-Video und Heiko Herr­lichs Aus­flug in den Super­markt bedarf zumin­dest auf medi­zi­ni­scher Ebene die Wie­der­auf­nahme des Spiel­be­triebs keiner tief­grei­fenden Bean­stan­dung. Was ein gutes Signal auch für andere Sport- und Kul­tur­ver­an­stal­tungen ist. Zumal auch die von einigen Poli­ti­kern befürch­teten Fan­an­samm­lungen im Umfeld der Spiel­orte aus­blieben – sieht man von zwei, drei Union-Anhän­gern in wogenden Baum­wip­feln hinter der Alten Förs­terei einmal ab.

Mit anderen Worten: Hygie­ne­kon­zept gelungen, Patient nicht tot, aber doch recht leblos. Das ist die schöne neue Fuß­ball-Welt. Und es bleibt nur die Binse, mir der wir uns in diesen Zeiten über so vieles Uner­freu­li­ches hin­weg­retten:

Da müssen wir jetzt durch.