Die Rückkehr ins Stadion bedeutet die Rückkehr der Gänsehaut. Aber wieso stellen sich unsere Haare eigentlich auf, wenn wir gemeinsam mit tausenden anderen Menschen unsere Lieblingsmannschaft anfeuern? Eine wissenschaftliche Spurensuche.
Diese Mischung aus negativen und positiven Emotionen könnte man als Rührung zusammenfassen. Friedrich Schiller beschrieb Ehrfurcht als das Ergebnis eines „Gefühls der Ohnmacht“ und eines „Gefühls der Übermacht“. Ist man gerührt, kommen auch oft diese beiden Komponenten zusammen. Ehrfurcht und Rührung beschreiben nicht exakt dasselbe, hängen aber eng miteinander zusammen. Unter tausenden von Menschen im Stadion fühlt man sich klein, weil einem die eigene Bedeutungslosigkeit in der Masse bewusst wird. Gleichzeitig fühlt man sich erhaben durch die gemeinsame (Laut)stärke. Es sind die Momente, in denen einem die eigene Endlichkeit bewusst wird, man sich gleichzeitig aber unendlich fühlt. Herr Dr. Wassiliwizky sagt dazu: „Wir haben Schillers Definition der Rührung experimentell bestätigt.“
Schaut man Filme, verspürt man am ehesten Gänsehaut, wenn die Kamera ganz nah dran ist an den Schauspieler:innen. Das haben Herr Dr. Wassiliwizky und sein Team herausgefunden. Werden uns Gedichte vorgelesen, spüren wir am ehesten Gänsehaut an den Enden von Zeilen oder Strophen. In Balladen löst wörtliche Rede am häufigsten Gänsehaut aus. Das bedeutet: Wir bekommen Gänsehaut, wenn wir nah dran sind am Geschehen oder sogar mittendrin, wenn wir dazu eingeladen werden, mitzufühlen.
Was aber die biologische Funktion der Gänsehaut ist, wenn wir eigentlich nicht frieren, ist noch nicht abschließend geklärt. Dr. Eugen Wassiliwizky vermutet im Gespräch mit dem SWR, dass auch die emotionale Gänsehaut ein Schutzmechanismus darstellen könnte. „Der Körper aktiviert ihn, auch wenn er sich emotional bedroht fühlt. Deswegen auch unser Credo, dass bei der Gänsehaut irgendeine Art von negativer Emotion enthalten sein muss, damit sie in Gang gesetzt wird“, erklärt er. Immanuel Kant sagte mal „Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewunderung und Ehrfurcht: der bestirnte Himmel über mir und das moralische Gesetz in mir.“ Und ist das Stadion nicht manchmal Himmel und Gesetz zugleich sein, der perfekte Ort für Gänsehautmomente?