Jahrelang hat der Fehlschuss bei der EM 2008 gegen Österreich an Mario Gomez genagt. Ein Gespräch über die Angst vor dem Tor, schmerzhafte Pfiffe und Planlosigkeit.
Ein schönes Bild.
Ja. Und dann kommt die Power. Ich habe mehr Power, die ich davor lange nicht hatte. Das gibt einem dann das gute Gefühl.
Und mit den Bällen kam auch die Nationalelf wieder auf Sie zu.
Vor allem freut mich, dass ich mein mir selbst abgegebenes Versprechen gehalten habe. Im Juli vergangenen Jahres habe ich für mich das Ziel formuliert, jetzt hier bei der EM dabei zu sein und mit dieser Mannschaft Europameister zu werden. Und deswegen ist für mich die Saison noch nicht beendet. Ich sehe das Ganze und möchte die Spielzeit mit maximalem Erfolg abschließen. Das heißt: Europameister.
Es wird ein paar Mannschaften geben, die etwas dagegen haben.
Gerade Frankreich ist stark. Und Spanien. Oder nehmen Sie Belgien. Wenn man allein die Namen ihrer ersten Elf liest, dann sagt man: Wow. Oder Italien, die keiner auf der Rechnung hat – und dann werden sie wieder ewig dabei bleiben. Also, es gibt schon ein paar Mannschaften, die verdammt schwer zu schlagen sind. Und wie immer wird ein Außenseiter dabei sein. Aber ich habe auch das Gefühl, dass der Hunger bei uns extrem ausgeprägt ist.
Dabei sagten Sie vorige Woche im Trainingslager noch, Sie versuchten, ein bisschen planloser zu werden. Wie meinten Sie das?
Planlos zu sein, ist toll. Weil man mal nicht so überlegt, was kommt, positiv wie negativ. Man sagt das immer so daher, weil es schwierig ist, das jemanden zu erklären. Ich meine, dass kommt ja schnell so yogi-yoga-mäßig rüber. Aber es ist schon so, dass ich in diesem Jahr noch nicht einmal daran gedacht habe, was nächstes Jahr wird.
Ist Ihnen das passiert, oder haben Sie sich diese Haltung auferlegt?
Nein, nicht auferlegt. Selbst jetzt, wo es Wechselgerüchte gibt, weiß ich noch nicht, wie es weitergeht in der nächsten Saison. Ich will es im Moment auch wirklich nicht wissen, es interessiert mich nicht. Ist das zu verstehen?
Sie sind Torschützenkönig der Türkei. Sie verlassen sich auf Ihre Tore?
Mich interessiert jetzt nur die EM. Die Optionen werden dann eh da sein.
Kann es sein, dass Sie das Thema Nationalmannschaft nicht mehr so persönlich nehmen? Die Verletzungen, das Ausgepfiffenwerden, das Übergangenwerden?
Wie meinen Sie das?
Bei der EM 2012 haben Sie in der Vorrunde ein Tor gegen Portugal und zwei gegen Holland geschossen. Anschließend nahm der Bundestrainer Sie aus der Startelf. Sie wirkten vergnatzt.
Stimmt, man baut sich so ein Haus um sich selbst herum, man versucht sich selber zu schützen. Damals dachte ich: Ich muss doch spielen! Für mich ging es schon bei der EM 2008 schwierig los, da wurde ein Mega-Hype um mich gemacht. Die Erwartungen waren riesig. Dann dieser Fehlschuss. 2010, nach meinem ersten Jahr bei den Bayern, da hatte ich bei der WM gar kein Spiel und war trotzdem das große Thema. Und 2012, Sie sagen es, war ich nach einer Wahnsinns-Vorrunde trotzdem der Buhmann. Ich weiß noch, wie Bastian Schweinsteiger und ich nach dem Halbfinalaus gegen Italien niedergemacht wurden. Klar, ich weiß auch, dass das zu unserem Sport dazugehört. Und ich weiß auch, dass es immer davon abhängt, wie man performt. Aber manchmal sieht man sich selber ein bisschen ungerecht behandelt.
Ihre Erkenntnis daraus?
Ich weiß heute, 2016, besser als 2014, wie ich das einzuordnen habe. Ich habe überhaupt nicht mehr das Gefühl, dass mich alle Fans und alle Journalisten mögen müssen. Ich weiß nicht, warum das so ist. Vielleicht habe ich dieses Gefühl irgendwann mal auf der Straße liegen gelassen. Es ist weg. Das mag daran liegen, dass es für meine Karriere auf die Zielgerade geht.
Sie sehen das Ende kommen?
Was heißt Ende? Ich mache mir keinen Druck mehr. Es können noch zwei Jahre werden, es können noch fünf Jahre werden. Und wenn es in einem Jahr vorbei ist, dann ist es in einem Jahr vorbei. Ich habe mich davon gelöst.