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Seite 2: „Mário, verdammte Scheiße“

In all den Jahren, seit ich atme, denke, sehe und fühle, habe ich nur von einem Moment geträumt: einer Begeg­nung, einer Situa­tion, die mich mit ihm ver­bindet, bei der wir uns ihn die Augen schauen und mir Mário in Gedanken sagt: Danke, José, danke für alles. Ich weiß, du bist mein größter Fan, dir ver­danke ich meine Kar­riere.“ Tau­sendmal bin ich dieses Treffen im Kopf durch­ge­gangen. Viele mög­liche Fragen und Ant­worten hatte ich mir über­legt. Pure Theorie, denn in der Praxis sollte alles anders kommen.

Plötz­lich stand er da
 
Ich arbeite als Zoll­be­amter am Flug­hafen in Porto Alegre, bin die Wühl­maus der Finanz­be­hörde, kon­trol­liere Koffer und Taschen. Täg­lich bitte ich Pas­sa­giere, ihr Gepäck zu öffnen, viel Small­talk eben, kein Pro­blem für einen gesprä­chigen Kerl. Doch letzte Woche Dienstag ver­schlug es mir zum ersten Mal die Sprache. Plötz­lich stand er da, Mário Jardel, der große Mário Jardel, M‑A-R-I‑O – von einer zehn­tä­gigen Geschäfts­reise aus Por­tugal kom­mend.

Was tun? Was sagen? Wirkt er nervös? Wirke ich nervös? Ver­träumt wollte ich den Mund öffnen, aber da hatte meine Kol­legin schon einen seiner Koffer geöffnet. Gold­uhren? Pra­linen für die Gattin? Weit gefehlt. Ein bei­ßender Fisch­ge­ruch drang in meine Nase und ich traute meinen Augen nicht: Kilo­weise getrock­neter Stock­fisch, etliche Säcke Wal­nüsse, min­des­tens sechs Pfund Käse und zig Fisch­kon­serven quollen hervor.

Warum hast du zehn Kilo Stock­fisch in deinem Gepäck?“

Mário, du bist mein Held, du bist der größte Tor­jäger in der Geschichte von Grêmio, des FC Porto, Sporting Lis­sabon und Gala­ta­saray. Deine Treffer waren meine Treffer, wäh­rend einem deiner Tore im grün-weißen Sporting-Dress habe ich meine Unschuld ver­loren. Alle sagen, du wärst ein kor­rupter Poli­tiker, aber das glaube ich nicht. All das und noch vieles mehr wollte ich Mário Jardel eigent­lich bei unserem ersten Auf­ein­an­der­treffen erzählen. Aber statt­dessen hörte ich mich sagen:

Mário, ver­dammte Scheiße, warum hast du zehn Kilo Stock­fisch in deinem Gepäck?“

Morgen werden wieder alle über ihn lachen, weil er beteu­erte, nicht die Ein­rei­se­be­stim­mungen seines Landes gekannt zu haben. Und das als Lokal­po­li­tiker. Mir alles egal, denn ich denke noch immer an die Ant­wort, die er mir kurz nach meiner Frage lächelnd gegeben hatte: Weil mir Stock­fisch eben schmeckt.“


HIN­WEIS: Die Geschichte ist eine Fan­ta­sie­reise. Unser Autor Sebas­tian Knoth stellte sich vor, dass der Zoll­be­amte, der Jardel am Flug­hafen abfing, sein größter Fan ist. Dass Jardel tat­säch­lich mit 10 Kilo Fisch auf­ge­halten wurde, ent­spricht aller­dings der Wahr­heit.