Ein Landespokalfinale ist für viele Amateurfußballer das Highlight ihrer Karriere. Für die Spieler vom Berliner SC ist es mehr als das. Sie spielen auch für ihren im März verstorbenen Mitspieler Damatang Camara.
„Mir wurde Sport nicht verboten. Mir wurde nur davon abgeraten.“ Diese zwei Sätze sagte Damatang Camara in einem Gespräch mit der Berliner Zeitung vor knapp einem Jahr. Heute wünscht man sich, die Ärzte hätten ihm verboten, Sport zu treiben. Denn Damatang Camara lebt nicht mehr. Im März brach der Stürmer beim Training seiner Mannschaft Berliner SC zusammen, kurz darauf starb er im Krankenhaus. Er wurde nur 24 Jahre alt.
Wenn der BSC, Berlinligist aus dem tiefsten Westen der Hauptstadt, heute gegen den großen Favoriten BFC Dynamo um den Einzug in den DFB-Pokal kämpft, werden viele der Spieler in Gedanken bei Camara sein. Bis zum März war er der beste Stürmer der Mannschaft, auch durch seine Tore steht die Mannschaft zum ersten Mal überhaupt im Berliner Landespokalfinale. „Das spielt in unseren Köpfen natürlich eine Rolle“, sagte Trainer Wolfgang Sandhove auf der Pressekonferenz am Donnerstag.
„Wir erinnern vor dem Spiel in der Kabine an Damantang. Wir spielen für ihn, denn es war sein Wunsch, ins Pokalfinale zu kommen. Für meine Mannschaft ist es eine Ehre, für Dami das Finale zu spielen.“ Zumal Damantang Camara das Finale so oft knapp verpasst hatte.
Das Risiko spielte immer mit
Camara, der als Jugendlicher aus seiner Heimat Guinea zu seinem Vater nach Berlin gezogen war, litt unter einem angeborenen Herzfehler, seine Herzwand war verdickt. Davon erfuhr er allerdings erst, nachdem er im Jahr 2014, damals als aufstrebendes Sturm-Talent beim Berliner Regionalligisten Victoria 1889, schon einmal umgekippt und kurz ohnmächtig geworden war. Im Krankenhaus erfuhr er von seiner Krankheit. Und von dem Risiko, wenn er weiter spielen würde. Also hörte er auf.
Und verpasste 2014, wie seine Mannschaft das Landespokalfinale gegen Tasmania gewann und den Einzug ins DFB-Pokalfinale perfekt machte. Kurz darauf beendete er seine Ausbildung als Physiotherapeut und begann, im Staff der A‑Jugend von Victoria zu arbeiten. Da die Mannschaft auf dem gleichen Platz trainiert wie Berlinligist Croatia, kam er mit dem Tempelhofer Verein in Kontakt. Und die große Leidenschaft – selber auf dem Platz stehen, Tore schießen, aktiver Teil einer Mannschaft sein – packte ihn wieder.
In der sechstklassigen Berlinliga sei die Belastung nicht so hoch, erzählte er damals, statt zweimal täglich wie in der Regionalliga trainierte Camara jetzt nur nur noch dreimal in der Woche. Doch trotz vieler Untersuchungen, die für Camara positiv verliefen, spielte das Risiko fortan immer mit.
„Aber Fußball ist mein Leben“, so Camara im Juli 2017 zur Berliner Zeitung. „Wenn ich nach Hause komme, schalte ich den Fernseher an und schaue Fußball. Das ist dann der erste Streitpunkt mit meiner Freundin. Wenn ich Freunde treffe, reden wir über Fußball.“ Außerdem war Camara – gerade in dieser Spielklasse – ein fantastischer Stürmer.
In der ersten Saison nach dem Comeback traf er 13-mal. Und half tatkräftig dabei mit, Croatia bis ins Pokalhalbfinale zu hieven. Dort war dann gegen den späteren Sieger BFC Dynamo Schluss. Und wieder war der Traum vom Landespokalfinale im Berliner Jahn-Sportpark für Camara geplatzt.
Im Sommer 2017 wechselte er dann innerhalb der Liga zum BSC. Und erzielte bis zu seinem Tod 14 Tore. In nur 19 Spielen. Auch im Berliner Pokal traf er dreimal in drei Spielen. Den Siegtreffer im Achtelfinale, erzielt in der 92. Minute, bereitete er vor. Dann kam der März und Damatang Camara brach im Training zusammen. Über die Stunden danach gibt es noch heute Unklarheiten.
Kurz darauf war Camara tot
Fakt ist: Ersthelfer erreichten den Trainingsplatz neun Minuten nach Camaras Zusammenbruch, wiederum sechs Minuten später kam der Notarzt. Zunächst fuhr der Rettungswagen mit Camara in eine nahegelegene Klinik, doch dort blieb der 24-Jährige nicht. Später berichteten verschiedene Medien, der junge Mann sei aus Mangel an Kapazitäten weiterverlegt worden. Von Seiten der Klinik wird jedoch betont, Camaras „Weitertransport lagen ausschließlich medizinische Erfordernisse und keine Kapazitätsengpässe zugrunde.“
So oder so erreichte der Wagen mit Camara erst um 20:32 Uhr, also fast 90 Minuten nach dem Zusammenbruch, sein Ziel, das Virchow-Klinikum im Wedding. Kurz darauf war Camara tot.
Die Berliner Fußballszene reagierte mit großer Anteilnahme – und organisierte schon kurz darauf Hilfsaktionen für Camaras Familie. Denn der Berliner hinterlässt seine Lebensgefährtin und ihren gemeinsamen, erst zwei Jahre alten Sohn. Schon am Tag nach dem Tod des Fußballers ging eine Spendenaktion online, initiiert von Tasmania Berlin.
„Er war wie ein Sohn“
Bis zum heutigen Tag kamen so über 13.000 Euro zusammen, unter anderem BVB-Profi Maximilian Philipp, der wie Camara einst in der Jugend bei TeBe kickte, spendete. Und auch seine Mannschaftskollegen vom BSC wollen helfen. Gemeinsam mit anderen Berliner Fußballern soll ein Benefiz-Spiel für Camara stattfinden. „Ich habe den liebsten Spieler verloren, den ich in 32 Jahren als Trainer hatte. Er war wie ein Sohn. Er hatte immer ein Lächeln auf den Lippen“, sagte sein Trainer Sandhove im März.
So ähnlich sehen es auch die alten Mannschaftskollegen. Beim Pokalhalbfinale gegen Mahlsdorf liefen sie geschlossen mit T‑Shirts auf, auf denen „Für Dami“ stand. Dazu, auf der Rückseite, Camaras Rückennummer, die 9. Mit einem Siegtor kurz vor Ende der Verlängerung erreichten sie das Landespokalfinale gegen Dynamo. Das Spiel, das der Stürmer so gerne einmal selbst gespielt hätte.